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Montag, 25. November 2024 Mediadaten
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Höxter (sst). „Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Lammert, Sie erinnern sich vielleicht nicht an mich, ich mich aber dafür umso besser an Sie, als Sie damals eine Rede in unserer Aula gehalten haben, durch die ich mich mehr mit politischen Themen auseinandergesetzt habe.“ - Das ist es, was sich Professor Doktor Norbert Lammert erhofft, wenn er Vorträge für die breite Öffentlichkeit hält und dabei insbesondere auch die jüngere Generation ansprechen möchte. 

Zu einer Diskussion regte der ehemalige Bundestagspräsident und Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung auch vergangenen Donnerstag in der Schulaula des König-Wilhelm-Gymnasiums in Höxter zu dem Thema „Demokratie braucht Demokraten“ an. Mit einer Besucherzahl von 250, darunter 80 Schülern war die Aula gut gefüllt, die gespannt auf die Einlassungen des Politikers warteten. Nach einer kurzen Begrüßung durch den Moderator Marcus Kiesel, Vorsitzender von „die politiksprecher e.V.“, die Schulleiterin Heike Edeler sowie dem Leiter der Volkshochschule Höxter Rainer Schwiete konnten die Besucher endlich den Worten Robert Lammerts lauschen. 

Der ehemalige Bundestagspräsident kritisierte zunächst einmal, wie banal sein selbst gewählter Titel „Demokratie braucht Demokraten“ doch sei. Das sei genauso selbstverständlich wie „Sport braucht Sportler“ oder „Medizin braucht Mediziner“. Der Titel transportiere also eine scheinbare Nullauskunft. Allerdings ist diese Sentenz in banaler als ebenso fundamentaler Weise zu verstehen, denn ohne Sportler oder Mediziner gebe es weder Sport noch Medizin. Genauso ist es bei der Demokratie, denn die Menschen sorgen für den Erhalt dieser, sodass jeder eine politische Verantwortung trägt. 

Welcher Informationswert steckt aber überhaupt hinter dem Demokratiebegriff? Bezogen auf die Selbsttitulierung hätte die DDR als Deutsche Demokratische Republik in Relation zur BRD als Bundesrepublik Deutschland weitaus demokratischer orientiert sein müssen… Die realen Begebenheiten widersprechen dieser Annahme jedoch, worin sich Misstrauen gegenüber politischer Begriffe sowie Institutionen ergründet. Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung bringt das Hinterfragen dabei wie folgt auf den Punkt: „Ich muss überprüfen, ob das, was angekündigt wird, auch wirklich in der Flasche ist!“ 

Um schließlich die Begrifflichkeit zu klären, schreibt Norbert Lammert der besagten Herrschaftsform drei wichtige Funktionen zu:
1. Freie und faire Wahlen von nicht komplementären Positionen mit Mandatsbefristung, sodass alle vier Jahre Neuwahlen erfolgen
2. Unabhängige Gerichte für rechtsverbindliche Entscheidungen
3. Freiheiten des Grundgesetzes: Religion, Presse, Meinung 

„Diesen Mindestanspruch einer ernst zu nehmenden Demokratie erfüllen dabei nur zwei Dutzend aller Staaten, was weniger als acht Prozent der Weltbevölkerung ausmacht!“, pointiert der Bundestagspräsident a.D. Um diese Demokratie zu schützen, müssen die Menschen bedacht wählen „und nicht so einen Vollidioten wie Trump zum Präsidenten machen!“ Denn Norbert Lammert versteht metaphorisch betrachtet unter Demokratie ein künstliches und empfindliches Gebilde, das nicht unter Denkmalschutz steht. Vielmehr stehe und falle es über Demokraten.

Als Beispiel führt der Stiftungsvorsitzende die Weimarer Republik an. Diese sei nicht gescheitert, weil die Verfassung unzureichend gewesen sei - zumal das heutige Grundgesetz Parallelen aufweist - sondern weil die Demokratie zu wenig Demokraten gehabt habe, sodass die Republik nicht habe aufrechterhalten bleiben können. Dann seien auch noch die wenigen Demokraten untereinander oftmals Rivalen gewesen, anstatt gemeinsam für den Erhalt der Demokratie zu kämpfen. 

Aber ist die Demokratie in Deutschland überhaupt in Gefahr? Im erneuten Vergleich zu der Weimarer Republik, dessen Demokratie in Montanen gezählt nicht einmal volljährig wurde, sind 75 Jahre Bestehen der deutschen Demokratie erstaunlich. Allerdings lehrt die Vergangenheit, dass politische Systeme sterblich sind. Dies mag bei autoritären Herrschaftssystemen tröstlich sein, jedoch nicht bei demokratischen. Als Beispiel für den Schwund der Demokratie führt der Professor Ungarn und Polen an. Deshalb ist für den Politiker nur eine Antwort auf diese Frage plausibel: Ja, die Demokratie in Deutschland ist in Gefahr.“ 

Denn die Demokratien werden nicht durch Bürgerkriege oder militärische Putsche gestürzt, sondern durch Wahlen. Die Demokratie lässt sich selbst abwählen. Die Zwickmühle ist dabei jedoch, dass demokratische Systeme keine andere Wahl haben, als den Gegners kandidieren zu lassen, weil die Wahlen ansonsten den demokratischen Grundzügen widersprechen würden. Demnach sind demokratische Systeme durchaus labiler als autokratische, zumal dem Demokratiegegner legitimierte Mittel zur Bekämpfung zur Verfügung gestellt werden. „Genau deshalb ist bürgerliches Engagement für die Demokratie umso wichtiger! Durch Wahlen von Extremparteien wird die Demokratie abgeschafft, was viele Menschen einfach nicht wahrhaben wollen“, unterstützt und bündelt Norbert Lammert seinen erläuterten Standpunkt. Mit dieser Aussage schließt der Professor seine Rede und eröffnet den Raum für eine Diskussions- und Fragerunde. Perfekt angelehnt an den Aspekt der Extremparteien stellt ein Schüler des Gymnasiums die Frage, wie der Redner zu einem AfD-Verbot stehe. Norbert Lammert äußert, dass die Debatte über ein Verbot dieser Partei durchaus auf Berechtigung treffe und längst überfällig sei aufgrund des Verdachtes auf Verfassungswidrigkeit. Allerdings ist er selbst kein Befürworter eines AfD-Verbotes, weil selbst im Erfolgsfall die vertretenen Einstellungen und Positionen der AfD nicht an Zuspruch verlieren würden. Man würde den Menschen lediglich den Organisationsrahmen in Form einer Partei nehmen, die Gegenwärtigkeit der AfD-„Werte“ wird aber weiterhin präsent sein. Darüber hinaus sei allein die Dauer eines solchen Verfahrens bezüglich des Parteiverbotes ein Konjunkturprogramm für die AfD selbst, sodass diese erneut Kritik am Staat sowie der Regierung äußern und für sich nutzen können. 

Eine ähnlich angehauchte Richtung schlug die Frage ein, wie der Professor den innerparteilichen Streit beurteilen würde. Woraufhin dieser nur mit Enthusiasmus entgegnen konnte: „Streit ist das Grundprinzip der Demokratie. Streit muss sein!“ Die Demokratie als Regelwerk lege dabei nur fest, wie dieser Streit auszutragen gehöre. Eine Einsicht, der sich jedoch jeder „Mitstreiter“ bewusst werden muss, ist, dass niemand kaum verlässlich sagen kann, was richtig ist, weil jeder nur die Seine Wahrheit kennt. Deshalb vertritt jeder das, was er für richtig hält und genau deshalb ist Demokratie wiederum von derartig enormer Bedeutung. 

Nach einer knapp 60-minütigen Fragerunde schließt Norbert Lammert seine Auslassungen mit einem Appell: „Wir brauchen einen gemeinsamen und starken EU-Staat mit einem großen Interesse, statt viele Einzelstaaten mit unilateralistischen Prägungen. Wollen wir also weiter in die Zukunft gehen oder lieber zurück in das 19. Jahrhundert verfallen, wo Rivalitäten zwischen den Nationalstaaten den Menschenalltag prägten?!“ 

Großer und lang anhaltender Applaus erfüllte den Raum, welcher implizierte, dass der Professor unbedingt wieder kommen sollte.

 

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