Höxter (TKu). Die Wahl des Behindertenbeirates der Kreisstadt Höxter findet am 22. August 2021 statt. Noch bis zum 06. Juni haben interessierte Bürgerinnen und Bürger, die von einer Behinderung betroffen sind, die Möglichkeit, Delegierte oder Delegierter in diesem Gremium zu werden. Der Behindertenbeirat der Stadt Höxter schaut bereits auf mehr als zehn Jahre erfolgreiche Arbeit zurück. Viele Projekte sind in dieser Zeit angestoßen, begleitet und umgesetzt worden. Wir haben mit Bürgermeister Daniel Hartmann und der Vorsitzenden des Behindertenbeirates, Cordula Reich, über die Neubesetzung des Beirates gesprochen.
Was ist der Behindertenbeirat?
Der Beirat hat die Aufgabe, den Rat, seine Ausschüsse und die Verwaltung in allen Fragen, die die Belange von Menschen mit Behinderungen betreffen, zu beraten. Dabei achtet der Beirat darauf, dass die gesetzlichen Grundlagen zur Barrierefreiheit eingehalten werden. Das Gremium möchte aktiv für die Beseitigung von baulichen Barrieren und solchen in den Köpfen der Menschen beitragen. Dieses kommt nicht nur Menschen mit Behinderungen zugute sondern auch Menschen mit nur vorübergehenden körperlichen Beeinträchtigungen, Senioren und Eltern mit Kinderwagen. Darüber hinaus setzt sich der Beirat für die Mitwirkung von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft ein, damit ihre Inklusion möglich wird. Ziel ist es, gleiche Chancen für Menschen mit Behinderungen herzustellen und Benachteiligungen abzubauen.
Bürgermeister Daniel Hartmann:
Durch die Behindertengleichstellungsgesetze auf Bundes- und Landesebene Anfang der 2000er-Jahre, aber vor allem durch den Beitritt der Bundesrepublik zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) 2009 nahmen die Kommunen deutlich wahr, dass Menschen mit Behinderungen am politischen Leben teilhaben möchten. Daher hat sich die Stadt Höxter bereits vor 11 Jahren - also 2010 - entschieden, dem Wunsch der Selbsthilfegruppen in Höxter einen Behindertenbeirat als freiwilliges politisches Beratungsgremium einzurichten, nachzukommen. Der Rat hatte erkannt, dass die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen für die Entwicklung einer Stadt von Bedeutung ist. Noch 2013 gab es bei 53 % der Städte keine Form der politischen Interessensvertretung für Menschen mit Behinderungen, also z. B. einen Beirat, Beauftragte oder einen Runden Tisch. Zu dieser Zeit war Höxter schon mitten im Prozess, den Behindertenbeirat wirksam in die Rats- und Verwaltungsarbeit zu verwurzeln.
Beirats-Vorsitzende Cordula Reich:
Ich bin froh, dass sich damals der Rat und die Selbsthilfegruppen in Höxter für die Errichtung eines Beirates entschieden haben. Die Bestellung lediglich einer Behindertenbeauftragten oder eines –beauftragten aus der Bürgerschaft wäre unseren örtlichen Gegebenheiten und Potenzialen nicht gerecht geworden, denn in Höxter gab es 2010 schon eine sehr selbstbewusste Selbsthilfestruktur, daher ist die Entscheidung für einen Beirat m. E. die einzig richtige gewesen.
Welche Rechte und Aufgaben hat der Behindertenbeirat Höxter?
Frau Reich:
Er unterstützt und berät den Rat, dessen Ausschüsse und die Verwaltung, z. B. wenn es sich um die barrierefreie Gestaltung von Gebäuden, Straßen, Parkplätzen oder technischen Anlagen handelt oder aber um die Ermöglichung zur Teilhabe in allen Lebensbereichen, wie z. B. Sport und Freizeit, Kultur, Bildung und Erziehung. Im Beirat werden Beschlüsse gefasst. Diese sind Empfehlungen an die Verwaltung, die Ausschüsse oder den Rat. Zu behindertenrelevanten Themen darf er Stellungnahmen abgeben und selbst Anträge stellen. Ferner wird ihm vor dem Rat oder den Ausschüssen Rederecht eingeräumt. Der Beirat informiert über behindertenspezifische Probleme und erarbeitet auch aus eigener Initiative entsprechende Vorschläge zu zahlreichen Angelegenheiten der Kommune. Er darf auch eine selbständige Öffentlichkeitsarbeit betreiben, z. B. durch Presseartikel, Info-Broschüren und Veranstaltungen.
Herr Hartmann:
In Höxter geht die politische Teilhabe der Menschen mit Behinderungen also über die Stadien der bloßen Anhörung und Beratung hinaus. Hier ist eine Mitbestimmung in der Entscheidungsfindung durch den Beirat ausdrücklich gewünscht. Kritische Stellungnahmen werden begrüßt und auf Augenhöhe diskutiert.
Wie werden die Mitglieder für den Behindertenbeirat Höxter gewählt?
Frau Reich:
Die neun stimmberechtigten Mitglieder und die Stellvertretungen werden in Form einer Delegiertenversammlung gewählt, das bedeutet: Delegierte werden von Menschen, die von Behinderungen betroffen sind, benannt. Die Delegierten wählen dann in der Wahlversammlung am 22.08. die stimmberechtigten Mitglieder des Beirates. Es gibt zwei Möglichkeiten, Delegierte zu benennen. Die erste Möglichkeit ist diese: Alle Behindertenvereine, Selbsthilfegruppen, Wohnheime und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen in Höxter können derzeit Delegierte in die Delegiertenversammlung entsenden. Je nach Größe können sie zwei oder drei Delegierte entsenden.
Herr Hartmann:
Daneben gibt es eine zweite Möglichkeit, Delegierte oder Delegierter zu werden: Sie können von vier Einwohnern/Einwohnerinnen, die ebenfalls von Behinderung betroffen sind, vorgeschlagen werden.
Für beide Möglichkeiten müssen amtliche Vordrucke genutzt werden, die bis zum 06.06. bei der Stadt Höxter eingegangen sein müssen. Diese Vordrucke kann man bei der Stadt Höxter oder im Büro des Paritätischen erhalten oder aber unter www.hoexter.de/behindertenbeirat abrufen. Sobald die Stadt Höxter die Benennungen der Delegierten geprüft hat, werden die Delegierten gefragt, ob sie auch für den Beirat kandidieren möchten. Es können sich also alle Delegierten auch als Kandidatinnen oder Kandidaten bewerben. Die Delegierten wählen aus den vorgeschlagenen Kandidatinnen und Kandidaten auf der Wahlversammlung am 22.08. den Behindertenbeirat.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden, um Delegierte/r oder Kandidatin/Kandidat zu werden?
Frau Reich:
Die Delegierten und auch die Kandidatinnen/Kandidaten müssen folgende Voraussetzungen erfüllen:
Sie müssen selbst eine Behinderung haben oder sie betreuen maßgeblich einen Menschen mit Behinderung im häuslichen Umfeld (GdB von mindestens 30). Ferner müssen sie ihren Hauptwohnsitz in Höxter haben und am Tag der Wahl (22. August) 16 Jahre alt sein.
Wie setzt sich der Behindertenbeirat zusammen?
Herr Hartmann:
Ihm gehören neun gewählte und stimmberechtigte Mitglieder an. Zusätzlich gibt es zehn Listenvertretungen. Sollten nach der Wahl nicht alle Behinderungsarten im Beirat vertreten sein, kann dieser weitere bis zu drei beratende Mitglieder aus den fehlenden Behinderungsarten benennen. Außerdem hat jede Fraktion die Möglichkeit, ein Ratsmitglied in den Behindertenbeirat als beratendes Mitglied zu entsenden. Schließlich ist auch die Stadt Höxter, entweder durch den Bürgermeister oder durch eine von ihm zu benennenden Person aus der Verwaltung, beratend vertreten.
Frau Reich, welche Aufgaben stehen in der Zukunft noch an?
Frau Reich:
In den nächsten zwei Jahren wird den Behindertenbeirat vor allem die Landesgartenschau beschäftigen. Hier gilt es, weiterhin ein Auge darauf zu haben, dass die Umsetzung der Gestaltung barrierefrei erfolgt. Außerdem stehen die Planungen an, wie sich der Behindertenbeirat aktiv bei der Durchführung einbringen kann. Ein wichtiges Thema sollte auch die Barrierefreiheit an unseren Schulen und die Förderung der Inklusion sowohl im schulischen wie auch im Sport- und Freizeitbereich sein.
Frau Reich, bei welchen Veränderungen war der Beirat beteiligt? Für welche Veränderungen hat er sich eingesetzt?
Frau Reich:
Der Behindertenbeirat setzte sich vor allem für eine Verbesserung der Barrierefreiheit in und an öffentlich zugänglichen Gebäuden, Einrichtungen, Straßen, Wegen und Plätzen ein. Er hat sich für die Installation des Außenaufzugs am Historischen Rathaus sowie der Erneuerung des Aufzugs in der VHS eingesetzt. Er war bei den Planungen des Hallen- und Freibades beteiligt. Außerdem hat er immer wieder eine barrierefreie Gestaltung unserer Fußgängerzone gefordert, die nun endlich dank Fördermitteln Wirklichkeit wird.
Frau Reich, wie bewerten Sie als Vorsitzende des Beirates die Zusammenarbeit mit Rat und Verwaltung?
Frau Reich:
In der jetzt ablaufenden Legislaturperiode hat sich die Zusammenarbeit deutlich verbessert. Bei immer mehr Projekten wird daran gedacht, den Behindertenbeirat rechtzeitig mit in die Planungen einzubeziehen. Anregungen des Behindertenbeirats werden nach Möglichkeit berücksichtigt. Hier besteht allerdings in einigen Bereichen wie dem Straßenbau durchaus noch Verbesserungspotenzial. Wir sind aber auf einem sehr guten Weg – Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.
Herr Hartmann, wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit dem derzeitigen Behindertenbeirat?
Herr Hartmann:
Besonders in den vergangenen sechs Jahren hat sich eine vertrauensvolle und effektive Zusammenarbeit zwischen den Fachämtern im Stadthaus und dem Beirat entwickelt. Vor allem der derzeitige Vorsitzenden, Frau Cordula Reich, ist es zu verdanken, dass sich die Verwaltung den Erfordernissen einer Inklusion von Menschen mit Behinderungen bewusster geworden ist. Frau Reichs Fachwissen und Diplomatie haben dazu beigetragen. Ich bedanke mich bei allen Beiratsmitgliedern, die mit Engagement zu positiven Veränderungen in unserer Stadt beigetragen haben. Über diese Veränderungen haben wir kürzlich ein Video erstellt. Dieses kann man sich auf der Homepage der Stadt Höxter in der Rubrik Behindertenbeirat anschauen. Ich fordere unsere Höxteranerinnen und Höxteraner mit Behinderungen auf, dem Aufruf der Stadt zu folgen und bis zum 06. Juni Delegierte für die Wahlversammlung zu benennen.
Foto: Thomas Kube