Höxter (TKu). Das Jakob-Pins-Forum in Höxter platzte aus „allen Nähten“. Etwa 80 Bürgerinnen und Bürger haben das Pins-Forum bis auf den letzten Platz gefüllt, um den während der NS-Zeit ermordeten Menschen des Holocausts durch die Nazis zu gedenken. Am 30. Januar vor genau 90 Jahren kam der Diktator und Massenmörder Adolf Hitler in Deutschland an die Macht. Am 27. Januar, vor 78 Jahren, wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Dass so etwas in Deutschland nie wieder geschieht, dafür wurde nun im Jakob-Pins-Forum in Höxter der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. In diesem Jahr haben Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 12 des KWG nach den Grußworten die weitere Veranstaltung übernommen. „Seit 1996 wird in Deutschland am 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Das Forum Jacob Pins hat seit seinem Bestehen regelmäßige Gedenkveranstaltungen durchgeführt. In den vergangenen beiden Jahren fanden sie aufgrund der Corona-Pandemie nur in kleinem Rahmen auf dem jüdischen Friedhof in der Gartenstraße in Höxter statt“, sagte Eva Greipel-Werbeck, die zweite Vorsitzende der Jacob Pins Gesellschaft bei der Begrüßung der Gäste im Pins-Forum, darunter auch Bürgermeister Daniel Hartmann.
Mit der neuen Dauerausstellung, die im Mai 2022 eröffnet wurde, habe jeder Interessierte inzwischen die Möglichkeit, sich ausführlich über das Schicksal von 20 jüdischen Höxteraner Familien zu informieren, etwa über ihre Wohnorte, ihre Familien und ihre Berufe, aber auch über die Gegenden, in die die Überlebenden flüchten konnten, sowie über die Konzentrationslager, in die sie deportiert und in denen ermordet worden sind, informierte Eva Greipel-Werbeck die Besucherinnen und Besucher. Die Erinnerungskultur für die folgenden Generationen aufrechtzuerhalten, das sei von großer Bedeutung, betonte die zweite Vorsitzende und übergab die Gedenkveranstaltung an die Schülerinnen und Schüler des KWG. In einem Kurs bei ihrer Lehrerin Sandra Mönnikes haben sich die 16 Schüler mit dem Briefroman „Adressat unbekannt“ von Katherine Kressmann Taylor aus dem Jahr 1938 näher auseinandergesetzt. Im Pins-Forum haben sie ihre Interpretation des Werkes mit einem Lichtschatten-Telefonat zwischen zwei befreundeten Geschäftsleuten zu Beginn der NS-Herrschaft, das von den Schülerinnen Nathalie Wild und Frederike Mönnekes gespielt wurde, vorgeführt.
Der jüdische Geschäftsmann Max Eisenstein und sein nach Lesart der Nazis arischer Partner Martin Schulse betreiben eine außerordentlich gutgehende Kunstgalerie in San Francisco. Im Jahre 1932 siedelt Schulse von San Francisco nach München über. Beide bleiben telefonisch in Kontakt. Zunächst distanziert vom Aufstieg Hitlers und der Machtübergabe der Nationalsozialisten, wird Schulse als Mitarbeiter im öffentlichen Dienst mehr und mehr bekennender Nationalsozialist und Teil des Systems aufgrund von Abhängigkeiten und der Manipulation durch die Nazis. Als Max Eisensteins jüdische Schwester Griselle in Deutschland in Gefahr gerät, fleht Eisenstein Schulse an, der Schwester zu helfen. Dabei berichtet Eisenstein, dass der Kontakt zu Griselle mit dem Vermerk „Adressat unbekannt“ an ihn zurückgekommen sei. Der Grund: Griselle ist von den Nazis ermordet worden. An Martin Schulse ist inzwischen der Geheimdienst dran, aufgrund des Kontaktes zu Eisenstein. Nun fleht Schulse Eisenstein an, mit dieser Korrespondenz aufzuhören, da sein Leben ernsthaft in Gefahr sei. Eisenstein meldet sich allerdings munter weiter, was dazu führt, das beim letzten Anrufversuch bei Schulse im Frühjahr 1934 die Stimme „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ ertönt. Zu dem Lichtschatten-Spiel haben die Schülerinnen den Aufstieg Hitlers und der Nationalsozialisten und die damit verbundene Abschaffung der Demokratie detailliert wiedergegeben. Bürgermeister Daniel Hartmann bezeichnete den vorgeführten Briefroman als „die stärkste Anklage gegen den Nationalsozialismus“. Dabei zitierte er auch den verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, mit den Worten: „Was geschehen ist, darf man nicht vergessen, um für die Zukunft dagegen gefeit zu sein!“.
Fotos: Thomas Kube