Höxter (red). Im „Bunten Klassenzimmer“ der Landesgartenschau basteln Kinder und Jugendliche ein hölzernes Notizbuch mit Bienenwachs. Eine Szene auf einem mittelalterlichen Marktplatz der untergegangenen Stadt Corvey: Händler bieten ihre Waren feil und nehmen Bestellungen entgegen. Nur: Wie werden die aufgeschrieben? Papier, Feder und Tinte hatten die Kaufleute damals noch nicht. Die Notizfunktion auf dem Handy ist noch Jahrhunderte und zahllose Erfindungen entfernt. Hier kommt die „Zaubertafel“ ins Spiel, die Kinder und Jugendliche im „Bunten Klassenzimmer NRW“ der Landesgartenschau Höxter basteln können.
Es ist eine kleine Wachstafel aus Holz mit einem Griffel: „Das Schreibgerät war damals meistens aus Metall oder aus Knochen, in unserem Fall ist der Stift aus Holz“, erklärt Archäologe Ralf Mahytka den Schülerinnen und Schülern einer Tandem-Klasse der Höxteraner Sekundarschule. Mit ihnen will er das Kurskonzept einem Realitätscheck unterziehen. „Im Mittelalter konnten zuerst Mönche und Adelige schreiben, aber Kaufleute und Bürger auch schon ein bisschen“, sagt er den Jugendlichen, die sich mit Eltern, Lehrkräften und Betreuern im Höxteraner Stadtarchiv versammelt haben.
„Ein Sack Hirse“ kratzt Mahytka mit dem angespitzten Holzstück in die kleine Bienenwachs-Fläche. Radieren konnte man im Mittelalter übrigens auch schon. „Einfach das Wachs mit dem abgeflachten Ende des Stifts wieder glatt streichen“, demonstriert der Stadtarchäologie. „Wäre auch super als Spickzettel geeignet“, finden die Schüler und machen sich ans Werk.
Aus vorgeschnittenem Holz und kleinen Nägeln wird die Tafel zusammengehämmert, die dann mit geschmolzenem Bienenwachs gefüllt wird. Mit einem Band den Klappdeckel und den Stift dran befestigt – schon ist die Händlertafel fertig. Auf dem Tisch vor den Schülern liegen Funde, die Mahytka mit seinem Team bei den Bauarbeiten zur Landesgartenschau gemacht hat: Ein Hufeisen, ein alter Haustür-Schlüssel, Bruchstücke von tönernen Kochtöpfen, eine Schere und ein Steigbügel erzählen vom Leben in der versunkenen Stadt Corvey. 1265 wurde sie von den Nachbarn aus Höxter dem Erdboden gleich gemacht. Zur Landesgartenschau soll sie in einem Archäologiepark erlebbar gemacht werden.
„Ich wusste noch gar nicht, dass es da mal eine Stadt gegeben hat“, sagt Miguel. Dass die Stadt Corvey richtig groß war, sogar größer als Höxter, findet Betreuerin Tatjana Holtwick spannend.
Sie war schon einmal bei einer archäologischen Geländeführung dabei und kam dadurch auf die Idee, mit ihrer kleinen Schülergruppe bei Ralf Mahytka vorbeizuschauen.
Der Archäologe plant noch weitere Kurse für das „Bunte Klassenzimmer NRW“ der LGS: „Zum Beispiel Kochen wie im Mittelalter mit den runden Tontöpfen über dem Feuer“, kündigt Andrea Gründer an. Sie ist bei der LGS für das umfangreiche Kursprogramm des „Bunten Klassenzimmers NRW“ zuständig. Auch Bauen mit Fachwerk (in verkleinertem Maßstab) soll ein Kursthema sein.
Insgesamt 170 interessante Angebote sind über das Bunte Klassenzimmer buchbar, zum Beispiel eine Fledermaus-Sichtung in der „Bat Night“ oder die Kurse „Wie bringe ich einen Apfel zum Leuchten?“ und „Radio – Wie geht das und wer macht das?“. Die komplette Übersicht und ein Anmeldeformular gibt es unter www.landesgartenschau-hoexter.de
Foto: LGS 2023 Höxter/Manuela Puls