Holzminden (red). Nach intensiv und kontrovers geführten Debatten in den letzten Wochen haben sich die politischen VertreterInnen des Landkreises und der Stadt Holzminden am Freitag, 10. November 2023 auf die erhoffte finanzielle Unterstützung zur Weiterführung des Krankenhausbetriebes in Holzminden geeinigt.
Kreis- und Verwaltungsausschuss hatten sich bereits Mitte Oktober auf einen Nachtragshaushalt in Höhe von jeweils sechs Millionen Euro verständigt, die Freigabe der entsprechenden Mittel jedoch unter den Vorbehalt eines Konzeptes gestellt. Dieses Konzept wurde den jeweiligen Gremien Anfang der Woche durch das Team des Insolvenzverwalters Dr. Danko vorgestellt und sowohl durch den Kreisausschuss, als auch durch den Verwaltungsausschuss der Stadt einstimmig mit einer Enthaltung akzeptiert.
Es sieht künftig insgesamt knapp 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, den Erhalt von ca. 40 Betten – 10 davon als Belegbetten - sowie den Erhalt der MVZ-Struktur vor.
Es soll eine allgemeine Abteilung der Inneren Medizin enthalten und sieht des Weiteren eine Zusammenziehung der Medizinischen Versorgungszentren am Standort im Forster Weg vor. So könnten wesentliche Fähigkeiten wie die Augenheilkunde, HNO, Urologie, Orthopädie/ Chirurgie, Gynäkologie sowie ergänzende MVZ-Leistungen, wie Gynäkologie, Orthopädie, Gastroenterologie, Radiologie, Unfallchirurgie und ggf. weitere Kooperationen mit niedergelassenen Ärzten und sanitätsnahen Dienstleistungen am Standort Holzminden erhalten bleiben bzw. entwickelt werden.
Allerdings geht das Konzept auch mit durchaus erheblichen Einschnitten einher. So werden Patientinnen und Patienten aus dem Landkreis Holzminden künftig nur noch montags bis freitags von 08:00 Uhr bis 18:00 Uhr aufgenommen, wobei die stationäre Versorgung und Pflege rund um die Uhr sichergestellt bleibt. Zudem fallen eine 24/7 besetzte zentrale Notfallaufnahme sowie auch die Fähigkeit der Geburtshilfe künftig weg.
„Wir sind grundsätzlich froh, nach den langwierigen und sehr komplexen Verhandlungen eine Lösung erarbeitet zu haben, die es der Bevölkerung des Landkreises auch künftig erlaubt, sich weiter auf ein Krankenhaus in Holzminden stützen zu können. Natürlich sind uns aber auch die schmerzhaften Einschnitte vollumfänglich bewusst und wir fühlen mit all den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Holzmindener Krankenhauses sowie der medizinischen Versorgungszentren, die durch ihren persönlichen Einsatz dazu beigetragen haben, den Krankenhausbetrieb in den vergangenen Monaten aufrechtzuerhalten und die nun nicht in die geplante Zielstruktur übernommen werden können. Die heute durch die Politik gebilligte Struktur stellt jedoch das maximal Machbare dar. Hierfür gehen Landkreis und Stadt Holzminden bereits bis zur finanziellen Schmerzgrenze“, berichten Landrat Michael Schünemann, der Holzmindener Bürgermeister Christian Belke. Der vorläufige Insolvenzverwalter ergänzt: Mit ihrer Entscheidung haben die Delegierten von Stadt und Landkreis die Tür offen gehalten für einen Erhalt von Krankenhaus und MVZ. Wir werden jetzt gemeinsam alles dafür tun, dass der eingeschlagene Weg auch zum Erfolg führt.“
„Gerade der Wegfall einer 24/7 betriebenen zentralen Notfallaufnahme oder auch einer Geburtshilfe wiegt natürlich schwer. Trotz intensivster Bemühungen konnte jedoch kein Betreiber gefunden werden, der das Holzmindener Krankenhaus mit diesen wichtigen Fähigkeiten weitergeführt hätte. Nicht zuletzt wären durch diese Fähigkeiten zusätzliche jährliche Kosten in Höhe 3,7 bis 4,2 Millionen Euro verursacht worden. Über die ohnehin schon beschlossen Millionenbeträge zur Sicherstellung der künftigen Krankenhausversorgung hinausgehende finanzielle Unterstützungsleistungen sind für die kommunale Ebene einfach nicht stemmbar. Dennoch ist es uns gelungen eine sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung zu entwickeln, die Modellcharakter in Niedersachsen haben kann, aktuelle Trends der Krankenhausversorgung in Deutschland aufgreift und die perspektivisch sogar bei einer möglichen späteren Übernahme durch die Katholische Hospizvereinigung Weser Egge länderübergreifend betrieben werden könnte.“
Der nun folgende Fahrplan sieht zunächst den Beginn der Restrukturierung durch den Insolvenzverwalter sowie den Erwerb der Krankenhausimmobilie durch eine von Landkreis und Stadt Holzminden zu gründende Immobiliengesellschaft vor, deren Geschäftsführer der in Holzminden wohl bekannte Geschäftsführer der Bausie, Andreas Nolte, werden soll. Hierbei gilt es keine Zeit zu verlieren, denn der Erwerb der Immobilie muss noch im November erfolgen, um den Restrukturierungsprozess überhaupt angehen und die Insolvenzabwicklung verhindern zu können.
Im Anschluss soll durch Landkreis und Stadt Holzminden eine am Freitagabend ebenfalls angedachte Betreibergesellschaft gegründet werden, die mit professioneller Beratung von außen den Restrukturierungsprozess durchführt, an deren Ende die Übertragung des Krankenhausbetriebes an einen starken Partner geplant ist. Falls mit den vorhandenen Interessenten kurzfristig eine Einigung erzielt wird, könnte dieser Prozess auch durch eine Betreibergesellschaft von außen umgesetzt werden. Dieser Zwischenschritt ist notwendig, um Fördergelder des Landes Niedersachsen in Millionenhöhe außerhalb der Insolvenz für die Restrukturierung nutzen zu können. Ein hoch komplexes Konstrukt also, für das die Vizepräsidentin des Niedersächsischen Landtages, Sabine Tippelt, Landtagsabgeordneter Uwe Schünemann, das Team des Insolvenzverwalters, der Landrat und auch der Holzmindener Bürgermeister in den vergangenen Monaten ebenenübergreifend und geschlossen gekämpft hatten. Hierbei wurde Hand in Hand mit Ministerium, Kassen und zahlreichen weiteren Akteuren gearbeitet.
„Ganz wichtig ist nunmehr, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses weiter treu zum Haus stehen, da die geplante Struktur eben nur mit gutem Personal realisierbar sein wird. Jede weitere Kündigung aus den verbleibenden Bereichen des Krankenhauses tut weh“, sind sich alle handelnden Akteure einig.
Kräftig unterstützend haben bei dem Prozess auch die Bemühungen der Bürgerinitiativen „Krankenhaus Holzminden“ und „Holzminden kann mehr“ gewirkt, die innerhalb kürzester Zeit mit über 21.000 gesammelten Unterstützungsunterschriften und über 220.000 eingesammelten Euro zur Sanierung des Eingangsbereiches des Holzmindener Krankenhauses eindrucksvoll die breite Unterstützung der Bevölkerung für das einzige Krankenhaus im Landkreis Holzminden unterstreichen konnten.
Vorllen Beteiligten liegt nun ein gewaltiger Berg Arbeit, denn es gilt innerhalb kürzester Zeit die Voraussetzungen für die Restrukturierung zu schaffen und den Restrukturierungsprozess anzugehen, in dem es auch darauf ankommen wird, die Krankenhausimmobilie möglichst vollumfänglich mit weiteren Belegangeboten und sonstigen sanitätsnahen Dienstleistungen auszufüllen.
Foto: Stadt Holzminden