Beverungen (red). Am Pfingstwochenende, also vom 17. bis 19. Mai, findet im Garten einer dezent verrockten Gründerzeit-Villa im ostwestfälischen Beverungen zum 26. Mal das Open-Air statt, das einmal sehr treffend vom deutschen „Rolling Stone“ als „das beste kleine Festival der Welt“ bezeichnet wurde. In den letzten Jahren hagelte es außerdem immer wieder ehrliche Liebesbekundungen, wie zum Beispiel jene von Casper, der einmal rief: „Lang lebe das OBS! Es war wirklich wunderbar, wir sind ganz verliebt“. Oder Giant Rooks, die sagten: „Wir haben uns in das Orange Blossom Special Festival verliebt!“. Shirley Holmes sind ähnlich begeistert, „es war wirklich sooo schön bei euch. What a grrreat, grrreat festival!“, Thees Uhlmann stimmt ein: „Danke! Ganz froh macht uns das, dass wir ein Teil davon sein konnten!“
Aber nicht nur deutsche Acts, die das OBS zwischen zwei Arena- oder Rock-am-Dings-Konzerten die Ehre erweisen, lieben es. Chris Eckman von den Walkabouts meint zum Beispiel: „You can’t compare this to any other festival in the world.“ Und wer auch nur einmal mit den Macher:innen des OBS gefeiert hat, weiß eben auch, dass das OBS nicht umsonst u.a. den deutschen Festivalpreis „Helga!“-Award in der Kategorie „Wohligstes Gewerkel (beste Arbeitsbedingungen und beste Arbeitsatmosphäre)“ gewonnen hat.
An drei Tagen wird sich das aus ganz Deutschland und dem angrenzenden Ausland anreisende Publikum in einer ungewöhnlich charmanten Location wieder fühlen wie auf einem anderen Planeten. Nicht umsonst muss zur Beschreibung der Stimmung und Atmosphäre immer wieder ein ehemaliges OBS-Motto herhalten: „Welt aus, OBS an!“
Das Line-up in diesem Jahr ist wieder ein homogener Mix aus Indie-Held:innen, Underdogs mit Potential und musikalischen Herzbluttäter:innen. Da wäre zum Beispiel die wundervolle Mina Richman, die das Festival auf der Hauptbühne mit ihrem queeren Indie-Pop eröffnen wird. Außerdem dabei: die triumphal zurückgekehrten Indie-Granden Muff Potter und das derzeit begeistert gefeierte Punkrock Duo iedereen. Ebenfalls eher auf der krachigen Seite des OBS-Gartens heimisch sind die irischen Post-Punk-Helden Gurriers, die englischen Kritikerlieblinge HotWax und Coach Party, die Schweizer Grunge-Rock-Hochtourer Annie Taylor, Afrodiziac, die nach ihrem 2023er-Auftritt auf der Minibühne ihren Power-Trio-Rock nun von der Hauptbühne schmettern dürfen und das noisy Instrumental-Trio Zahn.
Längst kein Geheimtipp mehr ist Brockhoff mit ihrem melodischen, aber kraftstrotzenden Indie-Sound, der allen gefallen dürfte, die auch Phoebe Bridgers zu Füßen liegen oder die Breeders verehren. Überhaupt spielen FLINTA eine große Rolle im Line-Up: Brimheim etwa, ursprünglich von den Faröer-Inseln stammend, aber in Dänemark zur Indie-Queen geworden, oder die in Berlin lebende Südafrikanerin Lucy Kruger, die mit ihren Lost Boys die dunklen Seiten der Seele musikalisch schartig übersetzt. Nicht zu vergessen Malva, welche ruhig-intensives Songwriting mit fast Chanson-artiger Leichtigkeit kombiniert und Stina Holmquist, die jüngst für den popNRW-Nachwuchspreis nominiert wurde - ebenso wie LOKI übrigens, deren wunderschöne Songs mit Streichinstrumenten monumentale Wucht entfalten.
Dazu mit William The Conqueror und Sylvan Weekends zwei weitere britische Acts, welche genretypisches Songwriting sehr geschmackvoll mit anderen Stilen kombinieren, CVC aus Wales und Yin Yin aus den Niederlanden, zu deren tanzbaren Grooves man schlicht nicht stillstehen kann, der junge Marlo Grosshardt, von dessen poetischen Liedern mit Haltung man noch viel hören wird, das Duo False Lefty, das sich bewusst auf drei Gitarrensaiten und drei Trommeln beschränkt – und damit einen unvergleichlichen, fast krautrockigen Schub entwickelt.
Mit The Holy aus Finnland und The Slow Show aus England werden der Samstag- und Sonntagabend des Festivals von alten und hochgeschätzten Bekannten im OBS-Garten beschlossen, beide gelten als ganz besonders intensive Live-Acts - und machen sich in diesem Jahr ansonsten auf deutschen Festivalbühnen rar.
Wie immer wird der Sonntag durch einen Überraschungsauftritt eröffnet. Nicht nur, dass die Surprise Acts beim OBS stets namhaft sind (in der Vergangenheit u.a. Die Nerven, Love A, The Dead South oder Kettcar) – nein, sie bleiben auch wirklich bis unmittelbar vor dem Auftritt geheim. Selbst in der OBS-Crew wissen nur drei Eingeweihte, welcher Act die bereits am Sonntagmorgen komplett versammelte Festivalfamilie in seinen Bann ziehen wird.
Als Walking Acts ohne feste Spielorte oder –zeiten auf dem wunderschönen Festivalgelände nahe der Weser unterwegs sind Low Key Orchestra (das neue Projekt des OBS-Veteranen Sönke Torpus), Florry, die Erneuerer tradierter Americana aus den USA und die OBS-Dauergäste Schreng Schreng & LaLa. Das Low Key Orchestra wird am Samstagmorgen zusätzlich im städtischen Freibad „Die Batze“ auftreten.
Außerdem: Lesungen von Dirk Gieselmann und Schreng Schreng & LaLa, ein wirklich umfangreiches Rahmenprogramm, der legendäre, auf der Bühne erzählte Dreitageswitz, Zelten am Weserufer, kurze Wege, eine große Auswahl leckerster Speisen und Getränke. Und die All-Star-Band Gorilla Club, die beweist, dass Musik für Kinder und Familien unterhaltsam und trotzdem ohne Banalitäten stattfinden kann.
Wie überhaupt das OBS ein außerordentlich kinder- und familienfreundliches Festival ist, von den unterschiedlichsten Programmangeboten für Kids über ein Still- und Wickelzelt bis zu gratis Gehör- und Sonnenschutz wird es Eltern mit Kindern leicht gemacht, das Festival zu genießen.
Dass sich Festivals auch um ökologische wie soziale Nachhaltigkeit kümmern sollten, hat das OBS verinnerlicht. Durch verschiedene Maßnahmen zur Ressourcenschonung, zur Minimierung des CO₂-Abdrucks oder durch signifikant verbilligte Sozialtickets, um kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, hat sich das OBS auch in dieser Hinsicht einen so guten Ruf erarbeitet, dass es 2023 von einer Fachjury unter die besten drei Festivals des deutschen Festivalpreises „Helga!“ in der Kategorie „Grünste Wiese (Nachhaltigkeit)“ gewählt wurde.
Aber man kann ja immer viel promoschreiben in einem Promoschreiben. Fakt ist – wer auch nur einmal in diesem Garten in Beverungen stand, wird dieses Gefühl nicht mehr vergessen. Es ist eine Mischung aus Euphorie und Angekommen-Sein. Es ist die Szenerie, die viele vom Aufwachsen auf dem Dorf kennen – vor der sie aber einst geflüchtet sind, weil man vielleicht die Gleichgesinnten in diesen Gärten und auf diesen Grillfesten an einer Hand abzählen konnte. Hier ist das anders: Zwischen Kaffee und Kuchen, Foodtrucks mit leckersten Speisen und Biertheken, spielen all jene Bands, für die man später näher an die große Stadt ziehen wollte. Es ist ein Gefühl der „Zuhausigkeit“.
Man merkt, dass das diesjährige OBS-Motto „Herzensangelegenheit“ und das Logo mit dem Oktopus „Karla Mari“ das Wesen des OBS widerspiegelt – haben Kraken doch nicht nur acht Arme, sondern auch neun Gehirne und vor allem: drei Herzen.
Und man spürt die Aura dieses Ortes, der auch deutsche Indie-Geschichte geschrieben hat: Das Label Glitterhouse Records sorgte dafür, dass man in Deutschland die Platten von Sub Pop bekam, machte Americana salonfähig und hat in den letzten Jahren ein paar der spannendsten deutschsprachigen Gitarrenbands im Artist Roster: Die Nerven veröffentlichen dort zum Beispiel ihre Alben, Trixsi, Steiner & Madlaina oder neuerdings auch iedereen und sogar der alte Singer-Songwriter-Haudegen Stoppok.
In dieser Geschichte des Labels liegt auch der Ursprung des OBS. Durch die Label-Arbeit stoppten in Beverungen immer wieder internationale Bands. Im Sommer 1996 zum Beispiel die Amerikaner Go To Blazes. Da wurde dann im Garten getrunken, gegrillt – und irgendwann musiziert: Die Band holte ihre akustischen Instrumente aus dem Tourbus und spielte ein paar Stunden. „Lass uns das einfach öfter mal machen“, sagte darauf Glitterhouse Co-Gründer Rembert Stiewe zu seinem Kollegen Reinhard Holstein. Es war im wahrsten Sinne des Wortes eine Schnapsidee, aus der dann 1997 das Orange Blossom Special entstehen – und bis heute bestehen sollte.
Tickets für das 26. OBS gibt es hier:
https://tickets.hoemepage.com/event/orange-blossom-special-26-id23sh
Das komplette Line-up:
AFRODIZIAC / ANNIE TAYLOR / BRIMHEIM / BROCKHOFF / COACH PARTY / CVC / DIRK GIESELMANN / FALSE LEFTY / FLORRY / GORILLA CLUB / GURRIERS / HotWax / iedereen / LOKI / LOW KEY ORCHESTRA / LUCY KRUGER & THE LOST BOYS / MALVA / MARLO GROSSHARDT / MINA RICHMAN / MUFF POTTER / SCHRENG SCHRENG & LA LA / STINA HOLMQUIST / Surprise Act (?) / SYLVAN WEEKENDS / THE HOLY / THE SLOW SHOW / WILLIAM THE CONQUEROR / YĪN YĪN / ZAHN
Foto: Peter Schickert