Kreis Höxter (red). „Man kann nicht bespielt werden, spielen kann man nur selbst!“ Diplom-Pädagogin Katrin Betz machte beim internen Fachtag der kommunalen Kindertageseinrichtungen im Kreis Höxter in der Aula des Kreishauses vor allem deutlich, welch enorme Bedeutung das freie Spielen für die Entwicklung der Kinder hat.
Gleich doppelten Grund zur Freude hatte Ulrike Schmidt vom Kreis Höxter, Fachberaterin Tageseinrichtungen für Kinder: Zum einen war es ihr gelungen, die anerkannte Referentin aus Rheinbach bei Bonn für den Fachtag über die Bedeutung des Spielens für ganzheitliche Lern- und Bildungsprozesse zu gewinnen. Zum anderen war das Thema auf solch eine großartige Resonanz gestoßen, dass die Aula gleich an zwei Tagen hintereinander bis auf den letzten Platz gefüllt war.
„Mit insgesamt 205 Teilnehmenden waren alle Teams der städtischen Kitas vertreten sowie 24 Tagesmütter“, so Schmidt. „Das Thema Spiel und die Begleitung im Freispiel haben wir bewusst ausgewählt, ist es doch Schwerpunktthema der Qualitätsentwicklung in den städtischen Kitas.“ Die Teams hatten die Möglichkeit, am Nachmittag den Wert des Freispiels in der eigenen Kita zu reflektieren. Darüber hinaus nutzten die Teilnehmenden der städtischen Kitas die Gelegenheit des Austausches mit Kolleginnen und Kollegen der anderen Städte.
„Kinder sind neugierig, wollen hinter die Dinge schauen und die Welt erkunden. Kindertageseinrichtungen bieten dazu die Möglichkeit: Es sind Bildungs- und Lernorte, die ihnen Begegnungen mit anderen Kindern und Erwachsenen, Räumen und Material sowie die Auseinandersetzung mit wichtigen Themen und Fragen ermöglichen“, unterstrich Katrin Betz zum Beginn ihres Vortrages die wichtige Rolle der Kitas für die Entwicklung der Kinder. „Das freie Spiel ist dabei in allen Altersstufen von eminenter Bedeutung“, so Betz. „leider wird dies heute von den Eltern häufig anders bewertet.“
„Gerade im freien Spiel nutzen Kinder alle in ihnen liegenden Fähigkeiten ganzheitlich, um das Spiel inhaltlich gestalten zu können. Dazu brauchen sie aber unbedingt ausreichend lange Zeiträume“, erläuterte die Referentin, „genauso wie eine überlegt vorbereitete Umgebung und gut ausgesuchte Spielmaterialien, die ihre Fantasie und Kreativität herausfordern können.“ Vor allem die Erkenntnisse der neuen Gehirn- und Lernforschung über den Einfluss des freien Spiels auf die geistige Entwicklung zog die Teilnehmenden in den Bann.
Alles, was erst im Verlauf der ersten Lebensjahre gelernt werden muss, wird von anderen Menschen übernommen. „Keine dieser kulturspezifischen Leistungen ist angeboren. Alles, worauf ein Kind später stolz ist, was es als Persönlichkeit ausmacht, verdankt es dem Umstand, dass andere Menschen ihm bei der Benutzung und Ausformung seines Gehirns geholfen haben“, erläuterte Betz. Extrem wichtig seien dabei die Erfahrung engster Verbundenheit sowie die Begeisterung für neue Ideen. In diesem Zusammenhang sah Betz die sogenannten „Helikoptereltern“ sehr kritisch. „Ich fände es wesentlich besser, wenn sich die Eltern als sicherer Hafen für ihre Kinder sähen, in dem diese jederzeit Schutz und Halt bekommen. Die Häfen fahren ja einem Schiff auch nicht hinterher aufs offene Meer…“
Gar nicht begeistert zeigte sich Katrin Betz von der mittlerweile in der Gesellschaft vorherrschenden Meinung, das Lernen von ganz bestimmten (schulischen) Kompetenzen bei den Kindern in den Vordergrund zu stellen. „Das ist Unsinn. Englisch lernen mit drei Jahren geht nicht, weil das Gehirn es einfach noch nicht aufnehmen kann.“ Lernen, Bildung und Spiel würden aber keineswegs im Widerspruch stehen. Das vermittelte sie an einem Beispiel: „Wenn ein Kleinkind Bausteine zusammensteckt, kriegt es einen Turm hin, über den es sich freut. Hat es das aber mit ungleichen Apfelstücken hinbekommen, hat es zusätzlich schon eine Menge über Statik erfahren, hat seine Feinmotorik trainiert und vielfältige Sinneseindrücke gehabt.“ Die Kinder könnten beim Spielen ausgiebig von ihren Körpersinnen Gebrauch machen und sich dadurch ständig weiter verbessern.
Foto: Kreis Höxter