Höxter (red). Nach einer fulminanten Vorab-Premiere zum zehnten Jahrestag der Welterbe-Anerkennung Corveys wird die spektakuläre Film-Zeitreise in das Jahrtausend der Mönche voraussichtlich noch im Verlauf dieser Saison im Rahmen von Führungen zu erleben sein.
Das kündigt Josef Kowalski, Kirchenvorstand der Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus, an. „Wir nehmen noch technische Justierungen vor. Außerdem werden Motoren für das automatische Öffnen der Kirchentüren eingebaut“, informiert er über finale Weichenstellungen vor der offiziellen Inbetriebnahme der modernen Medieninstallation.
Der Film, auf den sich die Gäste freuen können, rundet den 2023 im karolingischen Westwerk begonnenen museumsdidaktischen Eintritt Corveys ins digitale Zeitalter ab. Die Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus hat zwei innovative Angebote – die virtuelle Renaissance der ursprünglichen Ausgestaltung des Johanneschores mithilfe einer Mixed-Reality-App und jetzt die spektakuläre immersive Zeitreise durch das Millennium der Mönche – kreiert. Hinzu kommt der Relaunch der Dauerausstellung in den Räumen des Schlosses, wo ebenfalls moderne Medien zum Einsatz kommen.
Die filmische Zeitreise ist großes Kino: Auf einer etwa 40 Quadratmeter großen Glaswand zwischen dem karolingischen Westwerk und der barocken Abteikirche entfaltet sich acht Minuten lang fesselnd, sinnenfreudig und lehrreich die bedeutende klösterliche Geschichte des Weltdenkmals am Weserbogen. Die Gäste sehen die erste Kirche nach der Gründung des Klosters entstehen, erleben den Bau des Westwerks (ab 873) hautnah mit und tauchen außerdem in die Spiritualität und Wirkmacht des benediktinischen Lebens an der Weser ein. Eine Sogwirkung übt die künstlerische Produktivität im mittelalterlichen Skriptorium auf die Zuschauenden aus. Ansgar, den Apostel des Nordens, begleiten die Gäste auf seinen so erfolgreichen Missionsreisen im neunten Jahrhundert.
Glaswand mit integrierten (Kirchen-)Türen
Die Faszination dieser Medieninstallation geht nicht nur von den bildgewaltigen Szenen, ihrer spannungsgeladenen Dramaturgie, der raffinierten technischen Umsetzung und den mitreißend erzählten Erläuterungen aus, sondern auch von der Örtlichkeit des grandios opulenten Spektakels. Denn die Gäste stehen bei ihrer Zeitreise im Westwerk, dem eigentlichen Welterbe. Also im frühen Mittelalter. Zur barocken Triumphal-Architektur der ehemaligen Abteikirche fühlen sie sich nicht, wie sonst, direkt hingezogen. Die Sichtbeziehung zur prachtvollen Altartrias wird nämlich unterbrochen, sobald das Millennium der Benediktiner beginnt. Per Knopfdruck wird die Glaswand mit integrierten (Kirchen-)Türen für den Film zu 95 Prozent blickdicht geschaltet.
Das geschieht in Sekundenschnelle. Genauso rasch ist der Barock nach seinem Verschwinden aus dem Auge, aus dem Sinn. Und stiehlt der Erdgeschosshalle des Westwerks in ihrer vergleichsweise dezenten, aber hochbedeutenden Architektur nicht mehr die Show. So muss der Raumeindruck damals gewesen sein, bis vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), als sich ein schlichter mittelalterlicher Kirchenbau an die quadratische Erdgeschosshalle des Westwerks anschloss.
Die Intelligenz der Glaswand bringt also die Architektur des Mittelalters an Ort und Stelle neu zur Geltung. Außerdem dient sie als Projektionsfläche für den Film. Transparent geschaltet, erlaubt sie zwar den Durchblick, trennt aber trotzdem die Kirche als Ort des Gebets vom touristischen Betrieb. Multifunktional ist sie also – ersonnen vom ehemaligen Direktor des Diözesanmuseums Paderborn, Professor Dr. Christoph Stiegemann. Er leitet das wissenschaftliche Kompetenzteam der Kirchengemeinde zur didaktischen Erschließung des Westwerks und stellte den Film beim Festakt zum zehnten Jahrestag der Welterbe-Anerkennung Ende Juni in einer Preview vor.
An den Start gehen soll er möglichst noch im Laufe der Saison, die bis zum 1. November dauert. Die Kirchengemeinde freut sich darauf. Denn mit dem Film-Erlebnis im Erdgeschoss und der Erkundung des Johanneschores mit Hilfe von Tablets erschließen sich den Menschen die Alleinstellungsmerkmale von Weltrang und auch die „Substanz und Seele Corveys“ (Josef Kowalski) als beständiger Ort des Glaubens und Leuchtturm der Christenheit.
Foto: Kirchengemeinde Corvey