Höxter (r). Mit tosendem Beifall für den Schauspieler Jens Harzer und die Capella de la Torre ging am Wochenende das VIA NOVA KUNSTFEST CORVEY zu Ende.
Das Mysterienspiel „Das große Welttheater“ des spanischen Dichters Pedro Calderón de la Barca - fulminant interpretiert durch den Ausnahmeschauspieler Jens Harzer und von der Capella de la Torre musikalisch ins 17. Jahrhundert entrückt - zeigte als Höhepunkt am Sonntag noch einmal die gesamte Intention des mehrwöchigen Kunstfestes. Die Figuren in Calderóns Theaters erinnern, dass unser Leben letztlich eine einzige große Vorstellung ist, in der wir zwar unterschiedliche Rollen spielen, doch als Menschen alle gleichwertig sind. Einer der Grundgedanken des Christentums, das im 9. Jahrhundert von Corvey aus weit in den Norden getragen wurde. Das Christentum setzte sich gegen die unterschiedlichen lokalen Gebräuche und Kulte durch und half den weltlichen Herrschern bei der wirtschaftlichen und ökonomischen Zentralisierung ihrer Macht. Gleichzeitig veränderte es mit kulturellen Neuerungen den Alltag und formte mit neuen Gedanken allmählich das Menschenbild um.
Von diesen epochalen Veränderungen gab das VIA NOVA KUNSTFEST CORVEY unter der künstlerischen Leitung von Dr. Brigitte Labs-Ehlert eine sehr sinnliche wie wissenschaftlich fundierte Vorstellung. Fast anderthalbtausend Zuschauer zog das Festival in seinen Bann. Die erste deutsche Bibeldichtung „Der Heliand“, literarische Basis für die Christianisierung des Nordens, wurde im Skriptorium des Klosters Corvey kopiert, von dort aus wirkt es in die Welt bis in unsere Zeit, das machte das Festival an den drei Wochenenden in inszenierten Lesungen, Vorträgen, Konzerten und Tanz-Performances deutlich.
Und es geht weiter. Brigitte Labs-Ehlert gab unter großem Beifall eine Förderung durch die Kunststiftung NRW für das nächste Kunstfest 2020 bekannt, das - ausgehend von den in Corvey kopierten Annalen des Tacitus - „Wild. Wald. Welt“ zum Thema haben wird. Das Bild der Deutschen und ihres Waldes steht im Mittelpunkt, jetzt schon ist für Labs-Ehlert klar: „Der Mythos vom deutschen Wald ist ein Holzweg.“ Herzog von Ratibor, Hausherr auf Schloß Corvey, freut sich über den Erfolg des VIA NOVA - KUNSTFESTes, das sich explizit mit dem universellem Wert der UNESCO-Welterbestätte Corvey beschäftigt. Aus der reichen Geschichte heraus werden für Gegenwart und Zukunft relevante Fragestellungen und Themen entwickelt.
Begonnen wurde das VIA NOVA KUNSTFEST CORVEY im Europäischen Kulturerbejahr 2018 mit einer Ouvertüre, fortgesetzt wird es 2020-23 mit den weiteren Themenschwerpunkten „Annalen des Tacitus“, Widukinds „Sachsengeschichte“, einem Kommentar zu Boethius’ „Trost der Philosophie“ sowie Homers „Odyssee“. Die künstlerische Leitung hat die Literaturwissenschaftlerin und Altgermanistin Brigitte Labs-Ehlert. 2022 begeht das Kloster Corvey den 1200. Jahrestag seiner Gründung.
Das VIA NOVA KUNSTFEST CORVEY gehört zu den besonders geförderten Jubiläumsprojekten der Kunststiftung NRW, die in diesem Jahr ihr 30jähriges Bestehen feiert und aus diesem Anlass dreißig Projekte aus den Bereichen Visuelle Kunst, Performing Arts, Musik und Literatur als „künstlerische Vorhaben mit dem Ziel, das Besondere zu stärken und neue Räume ästhetischer Erfahrung zu öffnen“ in den Mittelpunkt ihrer Fördertätigkeit stellt.
Foto: Ernst Ehlert