Höxter (TKu). Am internationalen Weltfrauentag referierte der Deutschlandweit bekannte Sozialaktivist und Autor Ali Can vor etwa 50 Besucher*innen im Historischen Rathaus in Höxter zum Thema „Mehr als eine Heimat – Deutsch sein ist vielfältig“. Die Lesung mit anschließender Diskussion fand im Rahmen der Frauenaktionswochen statt, die in diesem Jahr aktuell unter dem Thema "AugenBlickWinkel" stehen.
Ausgerichtet hat diese Veranstaltung der Paritätische NRW, Kreisgruppe Höxter, unter Moderation der Geschäftsführerin Kathrin Jäger und dem Vorsitzenden Thomas Knopf. Eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen bestehe derzeit in der Sicherung sozialen Friedens und des gesellschaftlichen Zusammenhalts, so der Autor. Millionen von Menschen in Deutschland seien deutsch und „etwas anderes“. „Dieses Land ist selbstverständlich ihre Heimat. Die Zeit für eine Neudefinition ist reif“, meint Sozialaktivist und Autor Ali Can, dessen Twitterkampagne #MeTwo im Sommer 2018 ein enormes Echo auslöste. Ali Can gehe es darum, wie Vielfalt ohne Alternative gelingen kann.
Der kurdisch-stämmige Ali Can habe viele Erfahrungen mit alltäglichem Rassismus gesammelt, was er in seinem 2019 erschienen Buch "Mehr als eine Heimat“ zusammengefasst hat und aus dem er einige Passagen vorgelesen hat. Ständig werde den Menschen mit Migrationshintergrund vermittelt, sie seien nicht wirklich Deutsche und gehörten somit nicht dazu. „Dabei betrachten sie Deutschland als ihre Heimat - und das so selbstverständlich, wie sie sich oft noch einer anderen Sprache und Kultur verbunden fühlen“, meint Ali Can.
In seinem Buch beschreibt Can den Hashtag und seine Folgen als Teil einer dringend gebotenen gesellschaftlichen Debatte. Can möchte Vielfalt und Respekt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, bei allen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, wie man immer wieder bei seinen Erzählungen heraushören konnte. Der Weltfrauentag und der Feminismus sei für den Autor Can ein wichtiger Ausdruck, der sich auch gegen Unterdrückung und Rassismus wende. Frauen seien noch immer nicht gleichberechtigt und Menschen mit Migrationshintergrund noch immer Vorurteilen ausgesetzt. Wenn ein Mensch mit Migrationshintergrund einen Fehler mache, würde man ihm diesen Fehler doppelt so übel nehmen wie den Deutschen, die man als solche erkenne. Can berichtete von seinen Erfahrungen mit Pegida-Anhängern und wie er die von ihm gefühlten Vorurteilen gegen seine eigene Person durch das offensichtliche Tragen eines Schoko-Osterhasen überwunden habe. Er hatte somit mit den „besorgten Bürgern“ auf Augenhöhe eine Basis geschaffen, die er in seiner Lesung näher erläuterte. Am Ende kam Ali Can zu dem Schluss: „Heimat - das sind letztlich die Werte, die wir teilen“. Im Anschluss an die Lesung diskutierten die Besucher*innen angeregt mit dem Autor. Und auch nach der Veranstaltung nahm er sich die Zeit, mit den Anwesenden persönlich ins Gespräch zu kommen.
Sozialaktivist, Autor und Leiter des VielRespektZentrums Ali Can ist 1993 im Südosten der Türkei geboren und kurdisch-stämmig. Seine Familie ist, als er selbst zwei Jahre alt war, aufgrund der gesellschaftlichen und staatlichen Diskriminierung und Aussichtslosigkeit von kurdischen Aleviten 1995 nach Deutschland emigriert. Sie waren über 10 Jahre lang geduldet. Can fing im Herbst 2013 sein Studium für Deutsch und Ethik auf Lehramt an der Justus-Liebig-Universität in Gießen an. 2015 erwarb er die Deutsche Staatsangehörigkeit. Ali Can ist vor allem als Initiator der „Hotline für besorgte Bürger“ sowie 2018 des Hashtags #MeTwo national, wie international bekannt geworden.
Anfang 2019 eröffnete in Essen das von ihm gegründete „VielRespektZentrum“ in Essen - Deutschlands erstes Haus für Respekt. Für sein Engagement wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Jugenddemokratiepreis 2016 der Bundeszentrale für politische Bildung. 2019 ist dann sein zweites Buch "Mehr als eine Heimat - Wie ich Deutschsein neu definiere" erschienen. Für sein Buch sprach er auch mit vielen „besorgten Bürgern“, die er nicht alle über einen Kamm scheren möchte, da ihre Motivationen sich für Pegida oder die AfD einzusetzen, unterschiedlich seien. Über seine Erfahrungen mit der „Hotline für besorgte Bürger“ veröffentlichte er 2017 sein erstes Buch mit dem gleichnamigen Titel. Von 2016 bis 2018 war die Hotline für besorgte Bürger der Fokus seiner Arbeit. Im November startete auf seine Late Night Show “Alimania” auf Youtube.
Bei dieser diskutiert er mit Politiker*innen, Prominenten, Wissenschaftler*innen und Expert*innen über Integrationsthemen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Er hat in Warendorf, Gießen, Köln und Berlin gelebt. Aktuell wohnt er in Essen und Berlin.
Fotos: Thomas Kube