Höxter (TKu). Dieser Lost Place war einst einmal ein prächtiges Gasthaus, Hotel, Casino und auch Weinhandelshaus: Das Dreizehnlindenhaus vor den Toren Corveys weist eine sehr lange Tradition auf. In den 226 Jahren seines Bestehens wurde das alte Gemäuer im Inneren kaum modernisiert, so dass es auch Elemente aus seiner Entstehungszeit aufweist. Dazu gehören die aufwendig gestalteten Türen, die Feuerungsanlage, aber auch die zur Zeit der Erbauung fortschrittlichen Toiletten. Aus diesem Grund wurde das Gebäude im November 2011 zum Denkmal des Monats des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe erklärt.
Es ist eines von wenigen Hotelgebäuden aus dem 18. Jahrhundert, das auch im Inneren noch Strukturen aus seiner Entstehungszeit aufweist. Weil Teile des Hauses jedoch stark einsturzgefährdet sind, ist das Betreten des Geländes strengstens verboten. 1794 wurde das Dreizehnlindenhaus als neues Gasthaus des Fürstbistums Corvey erbaut. Levin Koch war der erste Pächter ab 1795. Das Gebäude diente in den vielen Jahrzehnten seines Bestehens als Hotel, Casino, Gast- und auch als Weinhandelshaus. Errichtet wurde es vom Bischof von Corvey, Theodor von Brabeck kurz vor dessen Tod. Das Haus war von Anfang an ein Sorgenkind der Baubeamten, und schon kurz nach 1800 heißt es in den Akten, dass jenes Gebäude keine lange Dauer verspreche. Es war offenbar nicht sehr sachverständig gebaut worden. Bereits in den Anfangsjahren musste ein großer Teil des Holzes ersetzt werden, weil man zu frisches Material verwendet hatte. Auch der Dachstuhl war wenig sachgemäß errichtet worden, wodurch schon bald nach dem Bau des Hauses sehr kostspielige Reparaturen erforderlich wurden.
1887 musste ein Balkon, der über der Freitreppe angebracht war, abgerissen werden. Am 10. August 1887 schrieb der Herzog in einer Marginalnotiz: „Wenn der Balkon verfault ist, so reiße man ihn einfach weg. Schön sah er ohnehin nicht aus. Wenn kein Balkon da ist, wird das Haus besser aussehen". In einer Ausgabe der Lokalzeitung aus dem Jahr 1942 steht geschrieben, dass es als Kavalierhaus geplant gewesen sei. Als Kavalierhaus bezeichnete man seit dem Barock ein Gebäude, das als Teil eines Schlossensembles der Aufnahme des Hofstaats diente. Der Bericht aus der Presse enthielt jedoch einige Fehler. Das von Bischof Theodor von Brabeck erbaute Haus war keineswegs als „Kavalierhaus" geplant, sondern sollte von Anfang an als Gasthaus dienen. Es war jedoch im Gegensatz zum gegenüber liegenden „Alten Krug" für ein gehobenes Publikum gedacht, wie der 1996 verstorbene Stadtarchivar Dr. Hans Joachim Brüning in einer Recherche belegte. Das "Dreizehnlindenhaus" ist eng verbunden mit der kurzen letzten Phase des 1000-jährigen geistlichen Lebens in Corvey: 1792 erlaubte es der Papst, die Benediktinerabtei in ein Fürstbistum umzuwandeln. So wurden der Abt zum Fürstbischof und die Mönche zu Domherren ernannt. Als wichtigste bauliche Veränderung dieser Umwandlung errichteten die Benediktiner unmittelbar vor dem Klosterbezirk an das Ende der Zufahrt von Höxter nach Corvey diesen Neubau. An der exponierten Lage sollte das Gebäude gleich mehrere Aufgaben übernehmen: Es diente nicht nur als Hotel und Casino, sondern nahm es auch als Gast- und ein Weinhandelshaus auf, bis zu seiner Schließung im Jahr 1942.
Unter dem alten Gemäuer befindet sich ein großes Gewölbe, das dem Weinhandel des Fürstbistums diente. Für die Freizeitgestaltung der Studenten des Corveyer Priesterseminars und die Domherren gab es einen Billardsaal und Speiseraum im Erdgeschoss. Im Obergeschoss war ein Tanzsaal nebst Spielzimmer und dazugehörigen Nebenräumen angesiedelt. Für vornehme Gäste des Fürstbistums gab es sechs Appartements, die aus jeweils mehreren Räumen bestanden haben. Anfangs hieß das Gebäude „Neuer Krug“ zur Unterscheidung zu dem 1845 abgerissenen Gasthaus namens „Alter Krug“. Zeitweilig haben beide Gasthäuser nebeneinander bestanden, bis man den „Alten Krug" im Jahr 1825 aufgab und nur noch den „Neuen Krug" beibehielt. Während der Franzosenzeit hieß das Gasthaus auch „Westphälischer Hof“. Danach lautete der Name des Gebäudes kurzzeitig auch „Neues Haus“ nach der Straße Corveyer Allee, die damals „Neuer Weg" genannt wurde. 1907 wurde es in „Dreizehnlindenhaus“ umbenannt. Der neue Name, der bis heute Bestand hat, erinnert an das gleichnamige, in der Gegend spielende Werk des Driburger Arztes und Dichters Friedrich Wilhelm Weber. Das Epos von Friedrich Wilhelm Weber namens Dreizehnlinden aus dem Jahre 1878 schildert den Endkampf zwischen den Franken und den Sachsen, zwischen dem aufblühenden Christentum und dem versinkenden Heidentum. Aber auch nach der Umbenennung blieb das schlichte Haus unberührt. Es blieb, wie es von Anfang an gewesen ist.
Im März 1942 erschien in der Lokalpresse folgender Artikel: „Abschied von Dreizehnlinden: Von einer alten Gaststätte, die nicht nur jeder Höxteraner kennt, sondern deren Ruf bei allen lebendig war, die sich Freunde des Wesertals heißen, muss heute Abschied genommen werden. Das Hotel und Gasthaus ´Dreizehnlinden´ vor den Toren von Schloss Corvey schließt seine Pforten für immer. Der bisherige Pächter, der Gastwirt Fr. Platte, übernimmt eine ihm gehörende Gastwirtschaft in der Westerbachstraße in Höxter, das Haus draußen vor Corvey wird demnächst Landarbeitern als Wohnstätte dienen“. 1942 wollte man nach Beendigung des Krieges das damals schon alte und marode Gebäude abreißen und durch einen Neubau ersetzen. Dazu kam es jedoch nicht mehr. „Der Bau ist bis heute erhalten geblieben, und es sieht so aus, als ob er noch eine lange Reihe von Jahren aushalten könnte“, so beschrieb es Dr. Hans Joachim Brüning bereits 1982. Und auch in diesem Jahr, weitere 38 Jahre später, hat sich am Gebäudezustand nichts Wesentliches verändert. Das Gebäude ist derzeit immer noch ungenutzt und teilweise baufällig. Eine Sanierung wurde im Jahr 2011 vorbereitet mit dem Ziel, es erneut als Gästehaus zu nutzen. Passiert ist bis heute allerdings nichts dergleichen. Stützbalken schützen das Gebäude vor Teileinbrüchen der Gebäudestruktur. Ein Zaun bewahrt die Menschen davor, dass sie von herabfallenden Teilen des Hauses getroffen werden.
Fotos (Innen/Luftaufnahme Archiv): Thomas Kube