Höxter-Corvey (TKu). Der Brenkhäuser Georg Drüke schaut gemeinsam mit seinem Hund Rudi am Weserbogen am Corveyer Hafen zu, wie die letzte Wand des großen Geräteunterstandes der Corveyer Holzverwertung abgerissen wird. Seit vergangenen Montag werden die „Überbleibsel“ der alten Corveyer Holzverwertung dem Erdbogen gleich gemacht. Am Mittwoch kurz vor Feierabend wurde die letzte Wand eines großen Geräteunterstandes, der seit Jahrzehnten die Landschaft und den Radweg ziert, mit einem Bagger eingerissen. Die Gebäude auf dem Gelände sind seit vielen Jahren marode und ungenutzt, die Dächer sind zum Teil mehr als defekt. Neben Georg Drüke und Hund Rudi schauen bei bestem Frühlingswetter viele wetere Schaulustige den Abbrucharbeiten zu, darunter auch viele vorbeifahrende Radfahrer und Skater. Mit dem Bagger hat das Abrissunternehmen die vergangenen Tage das Metall, Holz und andere Materialien voneinander getrennt. Es wird noch einige Tage dauern, bis alle Gebäude schließlich abgerissen sind. Auf dem Gelände am Weserbogen, welches die Stadt von Herzog Ratibor aus Corvey erworben hat, soll der Archäologiepark über der 1265 untergegangenen mittelalterlichen Stadt Corvey mit Tourismuszentrum und geschichtlichem Erlebnispark entstehen in Synergie mit der Landesgartenschau 2023.
Der Archäologiepark wird Teil der Landesgartenschau sein. Hier schlummern wahre Schätze: Das Gelände des zukünftigen Archäologieparks wurde von der Landesregierung bereits als „Pompeji von Nordrhein-Westfalen“ geadelt. Hier befand sich bis ins 13. Jahrhundert die alte Stadt Corvey und der Handelsweg Hellweg, dessen Reste sich noch heute unter dem Acker befinden. In den kommenden Wochen sollen sämtliche Hallen und Gebäudeteile verschwinden, bis auf den ehemaligen Spänebunker. Der soll laut der Abrissfirma einzig und alleine auf dem Areal stehen bleiben, weil er in die Planungen für die Landesgartenschau integriert werden soll, berichtet ein Mitarbeiter. Wie viel Altlasten und Umweltverschmutzung sich noch in dem Areal und dem Boden befinden, das sei bislang nicht bekannt. Es wird aber erwartet. Die lange und hohe Holzwand des großen Überstandes am Radweg am Weserbogen ist spätestens seit Mittwoch Geschichte. Mit diesen Abbrucharbeiten werden die Maßnahmen zur Landesgartenschau 2023 nunmehr sichtbar. Damit verschwindet aber auch ein Stück weit Industriegeschichte von Höxter und Corvey.
Mehr zur Geschichte der alten Corveyer Holzverwertung: 1920 wurde von der Firma Vohwinkel und Richtberg aus Charlottenburg das Sägewerk bei Corvey errichtet, auf dem vorzugsweise Buchennutzholz zu Bohlen und Eisenbahnschwellen zugeschnitten wurden. In den Nachkriegsjahren wurde die Corveyer Holzverwertung von der Familie Ratibor unter der Leitung des erst 25-jährigen Herzoges Viktor dem III. übernommen. Die Geschäfte liefen in den Jahren des Wirtschaftsbooms auf Hochtouren. Im Sägewerk wurden hauptsächlich Buchen- und Fichtenholz mit einer Gattersäge zugeschnitten. Daraus wurde zum einen die sogenannte „Gestellware“ gemacht für die Möbelindustrie und zum anderen produzierte das Sägewerk in zweiter Instanz Buchenschwellen für die Eisenbahnschienen. Nach dem zweiten Weltkrieg nahm die Anzahl der Sägewerke in Deutschland aus unterschiedlichen Gründen zunehmend ab. „Von einst 10.000 Sägewerken schrumpfte die Anzahl auf unter 1000 Sägewerke in den folgenden Jahrzehnten. Das hatte unter anderem die Gründe, dass für die Buchenschwellen inzwischen spezielle Eisenbahnschwellen eingesetzt wurden und auch die Gestellware wesentlich günstiger aus Osteuropa geliefert werden konnte“, berichtete Michael Funk vom Herzoglichen Haus Corvey. Die Geschäfte liefen bereits Anfang der 1970er Jahre immer schwieriger. 1973 ereigneten sich zudem noch zwei Brände im Unternehmen. Der Auslöser dafür war beide Male die kaminbetriebene Trocknungsanlage der Corveyer Holzverwertung.
In einer Zeitungsausgabe vom 10. September 1973 heißt es: „Ein Sachschaden von mehreren hunderttausend Mark waren durch den Brand am Samstagabend in der Corveyer Holzverwertung entstanden. Das Feuer, das neben der Trocknungsanlage im Bereich der Kaminanlage des Kesselhauses ausgebrochen war, breitete sich innerhalb von Minuten auf weitere Gebäudeteile aus. Dem schnellen Eingreifen der Feuerwehr ist es zu verdanken, das es zu keinem Großbrand kam. Anfang der 80er Jahre wurde der Eigenbetrieb eingestellt. „Zuletzt wurden im Sägewerk sogenannte ´Kanteln´ für die Möbelindustrie gefertigt. Das sind Holzstäbe hoher Qualität, die zur Herstellung von maßhaltigen Bauelementen dienen, wie zum Beispiel Tischbeine oder Türfriesen“, berichtet Wolfgang Woldan, der seit mehr als 40 Jahren in der Buchhaltung des herzoglichen Hauses Corvey beschäftigt war. Auch für die Firma Zenker in Lüchtringen habe man Fichtenholz zurechtgeschnitten, das als Bauholz für Fertighäuser genutzt worden ist. Das Sägewerk hat Anfang der 80er Jahre die Firma „Lüders“ mit Sitz in Hamburg übernommen, die bis zum Ende des Jahrzehnts Paletten dort hergestellt hat. Die Firma habe mit dem Herzog Franz-Albrecht eng zusammen gearbeitet, erklärt Woldan. Anschließend war das Gelände immer mal wieder verpachtet worden, darunter auch an den Holzhändler Heinrich Kleine. Zuletzt wurden hier bis ins Frühjahr 2018 hinein wieder Paletten zusammengeschraubt und gelagert. Spätestens ab Frühjahr 2023 sollen im schönen Weserbogen Flora und Fauna im Rahmen der geplanten Landesgartenschau im Fokus stehen, während das alte Sägewerk nur noch Geschichte sein wird.
Fotos: Thomas Kube