Am Ostermontag sind sie aus allen Teilen der Welt hoch motiviert und perfekt durchtrainiert im spanischen Wettkampfdorf Mollina zusammen gekommen und nun beschnuppern sie sich erst einmal, denn es sind (nur) noch vier Tage bis zur Weltmeisterschaft im Sport Stacking.
Sie, das sind die rund 300 besten Sport Stacker (Becherstapler) der Welt - und Kaja Schilcher aus Boffzen von den "speedy cUP!s" des MTV Boffzen - ist mitten drin. Die 12-Jährige ist begeistert von der freundschaftlichen und internationalen Atmosphäre, welche im Dorf herrscht. Zwar durfte sie bereits bei zwei Weltmeisterschaften (2012 Butzbach und 2016 Speichersdorf) für den deutschen Kader antreten, aber dies ist ihre erste Auslands-WM und die gemeinschaftliche Unterbringung aller 23 Nationen in einem "Dorf" bietet ein erstklassiges, internationales Ambiente und setzt natürlich Emotionen frei.
Über alle Alters- und Landesgrenzen hinweg begegnet man sich überaus freundschaftlich, tauscht Kontakte aus und trainiert sogar gemeinsam. An einem Tisch stehen Koreaner mit Amerikanern, Deutschen und Chinesen und probieren mal eine internationale Staffel aus. An einem anderen Tisch tauschen Stacker aus Australien, Schweiz, Spanien und Singapur ein paar Freestyle-Ideen aus. Toll, so eine internationale Stacking-Familie! Sobald die jeweiligen Bundestrainer zum täglichen Kadertraining rufen steht der Schalter wieder auf "fairer Wettkampfmodus" und jeder gibt mit voller Konzentration sein Bestes für sein nationales Team. Nach dem viertägigen Kadertraining ist es dann soweit. Die 3-tägige WM beginnt und die Anspannung steigt sichtlich.
Zunächst geht es bereits am Freitagnachmittag in die Vorausscheidungen für alle Eltern-Kind-Doppel. Hier müssen über 100 gemeldete Paarungen ran und es kommen nur 10 Eltern-Kind-Paare ins Finale. Voller Anspannung gehen Kaja Schilcher und Vater Jörg an den Schiedsrichtertisch und geben ihre drei Versuche ab. Die beiden sind ein eingespieltes Team und es darf jeder nur eine Hand benutzen. Jörg stackt mit links und Kaja mit ihrer rechten Hand. Es ist sehr gut gelaufen und es kommt die Phase der Ungewissheit. Hat es gereicht für den Einzug ins Finale und wie gut waren die anderen? Große Freude macht sich breit, als alle Paarungen ausgewertet sind und Kaja/Jörg sich auf Platz Vier der gefühlt ewig langen Liste wieder finden. Ein grandioser Einstieg in die WM. Jetzt heißt es noch mal kräftig trainieren, damit am Sonntag das Finale klappt.
Am Freitagabend beginnt in der großen Sporthalle die offizielle Eröffnung durch die spanischen Ausrichter. Alle 23 Nationen ziehen einzeln mit ihrer Landes-Fahne ein und haben jeweils ein dreiminütiges Zeitfenster, um sich der Welt vorzustellen. Ganz individuell wird diese Gelegenheit wahrgenommen und das Deutsche Team stellt sich mit einer kleinen Choreographie vor, bei der Sport Stacken mit Fitness verbunden wird. Das Publikum ist begeistert und begrüßt das Deutsche Team mit tosendem Applaus.
Nach der Vorstellung aller Teams, einiger Show-Einlagen und Prämierung der aktuellen Weltrekordhalter schließt sich traditionell das "Meet and Greet" an. Hier haben für den Rest des Abends alle Anwesenden die Gelegenheit, kleine Gastgeschenke an andere zu verteilen und Kontakte zu knüpfen. Es herrscht nun ein sehr buntes und mehrsprachiges Treiben, dass an Quirligkeit kaum zu überbieten ist.
Am Samstag folgen die Vorrunden für alle Einzel, Doppel und Staffeln, bei denen sich Kaja überaus großartig schlägt. Ein extrem starkes Teilnehmerfeld - insbesondere aus Asien - wartet auf die 6-fache Deutsche Meisterin aus Boffzen, die sich am Ende der Vorrunde nur drei Koreanerinnen geschlagen geben muss, die einfach zu stark waren. Als beste Europäerin ihrer Alterklasse zieht sie in allen drei Einzeldisziplinen auf Platz Vier ins Finale ein und holt am Folgetag in diesen Finalrunden mit atemberaubender Geschwindigkeit letztendlich zweimal den 6. Platz (im 333 und im 363) und einmal den 10. Platz (Cycle). Hier - in den Einzeln - hatte sie sich etwas mehr erhofft, wollte aber mit voller Risikobereitschaft versuchen, an den Koreanerinnen vorbei zu ziehen. Leider fielen bei der extrem hohen Geschwindigkeit die Becher zu oft um. Vielleicht klappt es das nächste Mal.
Bei den Finalrunden im Eltern-Kind-Doppel zeigte Kaja große Nervenstärke, jedoch erlaubte sich Vater Jörg einen ganz kleinen Patzer, der in der Folge dazu führte, dass die beiden final von Platz Vier auf Platz Acht abrutschten. Angesichts der über 100 angetretenen weltklasse Eltern-Kind-Paarungen von allen Kontinenten ein insgesamt großartiges Ergebnis, mit dem die beiden gerne nach Hause kommen. Richtig gut lief hingegen bei den Staffeln. Jede Mannschaft (vier bis sechs Stacker) hat die Möglichkeit innerhalb ihrer Alterklasse an drei verschiedenen Staffelwettkämpfen teil zu nehmen.
Zum Einen gibt es die Turnierstaffel (im 363 und im Cycle), wobei nach einem Startkommando im direkten Wettkampf die langsamere Mannschaft aus dem Turnier ausscheiden muss. Nach mehreren Durchgängen (mit Verliererrunde) bleibt ein Sieger übrig. In Kajas Alterklasse (11+12 Jahre) waren die meisten Mannschaften (11) vertreten - und die hatten es auch obendrein noch kräftig in sich. In beiden Turnierstaffeln war reine Nervenstärke gefragt - auch für die Zuschauer, die lebendig mitfieberten. Alle Teams stackten so schnell, dass die Augen kaum hinterher gucken konnten. Jeder Stacker muss von einer Halteline aus nach vorne zum Tisch rennen, eine definierte Aufgabe stacken, sich wieder umdrehen und an der hinteren Linie an den nächsten übergeben. 5 Schiedsrichter überwachen die Linien und den Stacking-Tisch, um Fehler zu erkennen. Nach mehreren Läufen musste sich das Team Germany in beiden Turnierstaffeln letztendlich nur zwei Koreanischen Teams geschlagen geben und feierte stolz zweimal die Bronzemedaille. Zum Anderen wurden Wettkämpfe in der Staffel auf Zeit ausgetragen. Hier behielt das Deutsche Team bis zum Ende die Kontrolle und konnte überglücklich und voller Stolz als Weltmeister die begehrte Goldmedaille entgegen nehmen. Das war ein wirklich hartes Stück Arbeit.
Unterm Strich freut sich Kaja über sieben von acht möglichen Medaillen und ist überdies hinaus sehr stolz darauf, dass sie bei einem internationalen Slalom-Stacking-Einlagenwettbewerb für Deutschland antreten durfte. Zwar hat sie diesen nicht gewonnen, aber "es hat mega Spaß gemacht, auf der großen Bühne durch Hindernisse zu schlüpfen und an vorbereiteten Tischen Stacking-Aufgaben zu erfüllen", so Kaja voller Freude. Auch Kajas Vater und Trainer der "speedy cUP!s" Jörg Schilcher kehrt sehr zufrieden nach Boffzen zurück. Neben dem achten Platz mit seiner Tochter Kaja ist er auch sehr stolz darauf, vom Bundestrainer die Verantwortung für die Gruppe der Special Stacker (Menschen mit Einschränkungen) übertragen bekommen zu haben. Während des Kadertrainings konnte er sie so gut auf die WM einstellen, dass sie in der Staffel nur um 0,5 Sec am Weltrekord vorbeischrammten. Das wäre noch das i-Tüpelchen dieser erfolgreichen Woche gewesen.
Verbunden mit einem Dank für die vielseitige Unterstützung durch den Vorstand des MTV Boffzen sowie an alle, die Daheim mitgefiebert haben richtet der Trainer der "speedy cUP!s" nun den Blick wieder nach vorne. Er freut sich darauf, mit seinem Team in die nächste Saison zu starten und als Highlight die Deutschen Meisterschaften am 7./8. März 2020 in den Bielenberghallen in Höxter ausrichten zu dürfen. Zuschauer sind herzlich willkommen. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen und Kontaktadressen zum Thema Sport Stacking sind zu finden unter www.speedycups.de.
Foto: Schilcher