Kreis Höxter (red). Der Fachkräftemangel in Deutschland beschäftigt Unternehmen aus allen Branchen – und dies nicht erst seit Corona. Es ist in den letzten Monaten eine Verschärfung festzustellen, laut dem ifo-Institut geben fast 50 Prozent aller Unternehmen an, dass sie vom Fachkräftemangel betroffen sind.
Lange Wartezeiten im Restaurant oder beim Arzt, Flugausfälle, keine zeitnahen Termine mit dem Handwerker – die Liste an betroffenen Bereichen ist lang.
Da muss man sich natürlich fragen, wo sind die Fachkräfte hin?
Zum einen hatte die Corona-Pandemie Auswirkungen auf einzelne Berufsgruppen wie Pflegekräfte oder Gastronomiefachkräfte und dafür gesorgt, dass Fachkräfte die Branche gewechselt haben. Während manche Branchen durch Homeoffice und flexible Arbeitszeiten durchaus positive Entwicklungen erleben, verschärfen sich die Arbeitsbedingungen in anderen Branchen deutlich.
Ein weiterer Grund ist der demografische Wandel. Studien gehen aufgrund der niedrigen Geburtenrate in Deutschland davon aus, dass bis 2030 etwa 3,9 Millionen weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen werden. In der derzeit immer älter werdenden Gesellschaft scheiden die „Babyboomer“ aufgrund der Rente aus und es fehlt an jungen qualifizierten Arbeitskräften, um diesen Wegfall auszugleichen. Darüber hinaus ist die „Generation Z", also junge Menschen, die zwischen 1995 und 2010 geboren sind, etwas wählerischer: Der Beruf sollte nicht nur den Lebensunterhalt sichern, sondern eine erfüllende Tätigkeit sein, in der neben Karrierechancen, Familienfreundlichkeit und genügend Freizeit nicht zu kurz kommen.
Diese anspruchsvollen Forderungen an die Arbeit und die Arbeitgeber gestaltet die Suche nach geeignetem Personal für das Handwerk natürlich noch schwieriger. Im Handwerk sind naturgemäß Lohnnebenleistungen wie Homeoffice, flexible Arbeitszeiten oder betriebliche Kinderbetreuung nur selten oder gar nicht vorhanden. Daher tut sich das Handwerk besonders schwer, diesen Ansprüchen der „Generation Z“ gerecht zu werden.
Dazu kommt, dass die „Generation Z“ nach der Schule am liebsten studieren geht. Vielen Jugendlichen wird von Eltern oder Lehrern ein Studium nahegelegt und die Ausbildung gilt als 2. Wahl. Junge Frauen gehen mit durchschnittlich besseren Schulnoten in immer geringeren Zahlen in handwerkliche Berufe.
Bei vielen Unternehmen geht inzwischen die berechtigte Angst um, schon sehr bald keine Mitarbeitenden mehr zu haben, mit denen die laufenden Aufträge abgearbeitet werden können. Wer soll dann in 10 Jahren, wenn die letzten Experten in Rente gegangen sind, die Arbeit noch machen? Gutes traditionelles Wissen wird, wenn wir nicht aufpassen, für immer verloren sein und die Qualität wird möglicherweise nachlassen.
Wie kann man als Arbeitgeber diesem Mangel an geeigneten Bewerbern und nicht ausreichend vorhandenen Fachkräften begegnen?
Ist die Formel „Mehr Gehalt für weniger Arbeit“ die richtige Antwort auf die Fragestellung?
Ich glaube nicht, dass diese einfache Antwort richtig ist. Die Vergütung ist sicher wichtig, aber nicht allein ausschlaggebend für die Wahl von Beruf und Arbeitgeber.
Es sind die Ansprüche der Arbeitnehmer an die Arbeit, die sich in den letzten Jahren stark verändert haben.
Die Arbeitnehmer fragen sich heute: Erlebe ich im Job Abwechslung? Lerne ich noch etwas Neues? Erlebe ich Sinnhaftigkeit in der Tätigkeit? Wird mir Wertschätzung entgegengebracht? Lautet die Antwort Nein, wächst die Bereitschaft zum Wechsel oder es kommt erst gar nicht zu einer Bewerbung im Handwerk.
Wir müssen uns im Handwerk eine Unternehmenskultur aneignen und Arbeitsbedingungen schaffen, die die Arbeit im Handwerk für junge Menschen in genau diesen Punkten attraktiv macht. Daran kann jeder einzelne Betrieb mitwirken. Wichtig ist es für die Betriebe, diese modernen Rahmenbedingungen auch unkompliziert zu kommunizieren, auf Berufemessen präsent zu sein, coole Karriereseiten auf der eigenen Homepage zu präsentieren und auf Social Media Kanälen vertreten zu sein.
Es gibt darüber hinaus gewerkeübergreifend gesellschaftspolitische Forderungen, die helfen können, dem Fachkräfte- und Bewerbermangel entgegenzuwirken. Für viele Handwerksbetriebe wäre es nämlich schon ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, wenn die berufliche Lehre wieder zu einem positiven Trend werden würde. Positive Effekte, um die "Unbeliebtheit der Lehre" umzukehren, könnten unter anderem Schulen oder andere Bildungseinrichtungen auslösen, indem sie junge Menschen wieder motivieren, eine Ausbildung zu absolvieren.
Aber auch die Suche der Arbeitgeber muss optimiert werden, um neue Talente auf sich und die eigene positive Unternehmenskultur aufmerksam zu machen.
Wenn es den Betrieben gelingt, sich für diese Herausforderungen so gut aufzustellen, um die Menschen für ihre Berufsbilder und ihre Unternehmenskultur zu begeistern, wird es auch gelingen, neue Bewerber zu gewinnen und Fachkräfte langfristig an die Unternehmen zu binden und damit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Foto: Kreishandwerkerschaft Höxter-Warburg