Kreis Höxter/NRW (TKu). Der Höxteraner Assistenzarzt Vladyslav Rudyi-Trypolskyi ist noch immer geschockt über die Russische Invasion in seinem geliebten Heimatland der Ukraine. Plötzlich und ohne Vorwarnung hat Wladimir Putin am 24. Februar 2022 das friedliche ukrainische Volk mit Militär überfallen. Zwei Tage habe er und ihm nahe stehende medizinische Kollegen, die ebenfalls aus der Ukraine stammen, benötigt, um zu verstehen, was da in ihrem Heimatland geschieht, so der Mediziner. So viel Tod und Leid, das vor allem die Zivilbevölkerung trifft, da können Vladyslav Rudyi-Trypolskyi und seine Landsleute nicht einfach nur untätig zusehen. In den folgenden Tagen nach Kriegsausbruch stieg der Antrieb, Hilfe für die vielen unschuldigen Menschen in der Ukraine zu organisieren. Dafür wurde unter anderem eine bereits existierende Telegram-Gruppe mit 300 bis 400 ukrainischen Ärzten genutzt, die durch weitere Interessierte bereits auf 1800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angewachsen ist. Viele Nachrichten werden darin ausgetauscht mit Teilnehmenden aus ganz Deutschland und auch aus der Ukraine, weil dort noch viele Kontakte zu ehemaligen Kollegen und Patienten besteht. Aus dieser Telegram-Gruppe ist aufgrund der Fülle der Nachrichten eine kleinere ausgerichtete und strukturierte „Task Force Gruppe“ entstanden, bestehend aus Fachärzten und Oberärzten, die ebenfalls aus der Ukraine stammen. Sie konzentrieren sich laut dem Assistenzarzt auf gleich mehrere Aufgaben. Diese Gruppe ist überwiegend in Nordrhein-Westfalen aktiv. Ähnliche Strukturen gebe es laut dem Mediziner auch in den anderen Bundesländern in ganz Deutschland. Die Gruppe sei momentan dabei, mit der Bundesärztekammer die notwendige medizinische Unterstützung für die Ukraine zu koordinieren, und noch mehr System in die Hilfe hinein zu bringen. Täglich halten sich die Gruppenmitglieder auf dem neuesten Stand, sei es was den Krieg in der Ukraine betrifft oder wie die Hilfe am besten organisiert wird. Dazu zählt auch die Unterstützung für Ukrainerinnen und Ukrainer, die aus ihrem Heimatland nach Deutschland geflüchtet sind. Die separate Telegram-Gruppe besteht bereits aus 700 Chirurgen, Anästhesisten, Kinderärzten, Gynäkologen und Neurochirurgen, die bereits langjährige Erfahrung haben oder sich als Medizinstudenten noch in Ausbildung befinden. Die meisten von Ihnen sind in Sicherheit gebracht worden. Sie seien hochmotiviert und lernen bereits die heimische Sprache. Ihre bestehenden Sprachkenntnisse seien unterschiedlich, erklärt Trypolski. Die ukrainischen Ärzte würden einen guten Ruf unter ihren Deutschen Kollegen genießen, nicht zuletzt weil das Medizinstudium in der Ukraine qualitativ ähnlich zu dem in Deutschland sei, so Trypolskyi.
In ihrer Gruppe haben sie sich zwei große Ziele gesetzt, die sie in überörtliche und lokale Ziele aufteilen. Zu ihren „überörtlichen“ Zielen gehört das Einrichten von Sprach- und Integrationskursen für Ärzte auf Landes- und Bundesebene. Dabei arbeiten sie eng mit dem BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) und der Sprachwerkstatt Paderborn zusammen. Genaue Algorithmen werden aktuell entwickelt. "Integrationskurse für Mediziner", die sind beim BAMF und den Sprachwerkstätten bereits Thema. Bei ihrer koordinativen Arbeit sei ihnen die rechtzeitige Festlegung von Strukturen und klaren Algorithmen ein besonderes Anliegen. Insbesondere was die Anerkennung von Diplomen betrifft, da sei jetzt Handlungsbedarf. Angesprochen sei dabei insbesondere die Ärztekammer, die Regierung, Botschaften und Konsulate. Durch den Krieg werde die Ukraine wieder in die Vergangenheit zurück katapultiert, Diplome könnten in der Ukraine momentan nicht mehr abgeschlossen werden, was das Land zurückwerfe, so Trypolskyi. Als weiteren Punkt für die überörtliche Hilfe nannte der Assistenzarzt das Generieren und der Transport von Medikamenten und medizinischer Ausstattung in die Ukraine. Die Hilfstransporte erfolgen über Hilfsorganisationen und Armee-Logistikkanäle in Abstimmung mit dem Bundesgesundheitsministerium. Den bereits involvierten Hilfsorganisationen in Deutschland möchte das Ärzte-Netzwerk auch Unterstützung anbieten, weil sie viele direkte Kontakte in die Ukraine geknüpft haben
Was die Unterstützung auf lokaler Ebene betrifft, so nennt Vladyslav Rudyi-Trypolskyi die bereits angelaufenen Aktionen im Kreis Höxter. Die Hilfe komme derzeit von allen Seiten, auch im Kreis Höxter. Das Netzwerk vermittele insbesondere die im Kreis generierten Hilfsgüter weiter. Das Netzwerk steht in engem Kontakt mit der Verwaltung des Krankenhausverbundes KHWE, einigen Stadtverwaltungen im Kreis und der Kreisverwaltung Höxter, besser gesagt mit Landrat Michael Stickeln, dem Höxteraner Bürgermeister Daniel Hartmann, Bürgermeister Burkhard Deppe aus Bad Driburg sowie weiteren Verwaltungsmitarbeitern. Des Weiteren wird das Ärzte-Netzwerk vom Rotary Club und Lions Club, der Stiftung Round Table, von der Feuerwehr und dem Rettungsdienst sowie vielen ehrenamtlichen Freiwilligen, die sich in den laufenden Prozessen sofort engagiert haben, stark unterstützt. Auch mit der Ukrainisch Griechisch-katholischen Kirchengemeinde Hannover, ein Teil der römisch-katholischen Kirche, steht das Netzwerk in engem Kontakt. Täglich werde telefoniert und Hilfe koordiniert. Jedes dienstfreies Wochenende werden Hilfsgüter nach Hannover zur Kirchengemeinde transportiert, die schon seit Jahren, seit Beginn der Krise, über eine gute Logistikkette bis in die Ostukraine hinein verfügt. Die humanitäre Hilfe, inklusive Medikamente und Medizingeräte werden zumeist direkt nach Lemberg zur Ukrainisch katholischen Universität (uku.edu.ua) transportiert, von wo sie von Studenten und Freiwilligen aussortiert und weiter innerhalb der Ukraine durch Armee-Kanäle verteilt wird.
„Es herrscht eine humanitäre Katastrophe in der Ukraine, tausende Getötete, noch viel viel mehr Verletzte benötigen unsere Hilfe. Vor uns liegt ein Marathon ist. Unsere Mission ist es in erster Linie, die Menschen, überwiegend Mütter mit ihren Kindern, aus der Ukraine in Sicherheit bringen. In zweiter Linie wollen wir, das sie sich mit unserer Hilfe schnell hierzulande integrieren und die Sprache erlernen“, so der Höxteraner Assistenzarzt Vladyslav Rudyi-Trypolskyi, der dazu noch ergänzt: „Die Kleinkinder gehören in die Kinderbetreuung, die Schulkinder gehören in die Schule, die Auszubildenden und Studenten sollten ihr Lernstudium weiter fortführen in Deutschland. Die Erwachsenen sollten sich an Sprachkursen beteiligen und/oder eine Arbeit aufnehmen, wenn möglich. Wir alle gemeinsam sollten zum normalen Leben zurückkehren, so wie wir das kennen“, sagt Trypolskyi, der gemeinsam mit seinem Netzwerk auch ein Informationsblatt auf russisch und auf Deutsch auf den Weg gebracht hat, das an alle Menschen in Deutschland gerichtet ist, die aus der Ukraine stammen. „Lang lebe die Freiheit und die Unabhängigkeit der Ukraine! Ehre der Ukraine! Jeder von uns gibt das Beste für ein gemeinsames Ziel. Das Leben wird den Tod besiegen und das Licht wird die Dunkelheit besiegen“, fügt der Mediziner noch hinzu in der Hoffnung, das Krieg ein schnelles Ende finden wird.
Foto: Thomas Kube