Höxter (red). Was macht eigentlich ein Ingenieur und wie sieht seine Arbeitswelt aus? Diesen Fragen stellten sich acht Schülerinnen und Schüler der Oberstufe des Städtischen Gymnasiums in Beverungen beim „Ingenieur.Pass“ des Vereins Natur und Technik. Dabei lernten sie verschiedene technische und ingenieursbezogene Berufe in unterschiedlichen regionalen Unternehmen sowie Studienmöglichkeiten kennen, durften den Fachleuten bei ihrer täglichen Arbeit über die Schultern schauen und teilweise sogar selbst Hand anlegen.
Unter der Regie der Geschäftsstelle des Vereins Natur und Technik, die beim Kreis Höxter angesiedelt ist, haben die Jugendlichen von Oktober 2021 bis Mai 2022 an fünf Veranstaltungen des „Ingenieur.Passes“ teilgenommen. Los ging es im letzten Oktober mit der Auftaktveranstaltung beim Unternehmen Beku Kunststoffwerke GmbH in Beverungen-Dalhausen. Hier gab es alles rund um die Verarbeitung der Kunststoffe Polyvinylchlorid (PVC) und Polyolefine (PE/PP) für die Herstellung von Rohrsystemen und Kabelabdeckungen zu erfahren. Dabei stand das Zusammenspiel der verschiedenen Abteilungen und Berufsgruppen wie des Maschinenbauers, der Verfahrensmechanik für Kunststoff- und Kautschuktechnik sowie Elektrotechnik im Vordergrund. „Im Ingenieursalltag“, so Betriebsleiter Benjamin Klenk, „geht es nicht nur um die Anwendung von fachspezifischem Wissen, sondern auch um die Verknüpfung von handwerklichen Fertigkeiten, Kreativität und der Fähigkeit, logische Verknüpfungen zu verstehen und umsetzen zu können. Dabei ist es unabdingbar, als Teamplayer zu agieren und alle Ressourcen gekonnt einzusetzen.“
Mit dieser Empfehlung im Gepäck ging es weiter zur HEGLA GmbH, wo die Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernten, was man alles für die Konstruktion und Funktionsweise eines Rapidloaders – einem vollautomatischen Flurbeschicker für Flachglas – wissen muss. Welche Schwierigkeiten Industriemechaniker, Ingenieure oder auch Softwareentwickler hier tagtäglich zu bewältigen haben, erfuhren die Schülerinnen und Schüler als sie selbst vor das Problem gestellt wurden, einen lösungsorientierten Ansatz für den Bau einer solchen Flurbeschickungsanlage zu entwickeln. Technisches Vorstellungsvermögen verbunden mit Kreativität und Teamarbeit waren dabei besonders gefragt.
Was einen Beruf tatsächlich ausmacht, lernt man nicht nur auf der Schulbank, sondern vor allem bei der praktischen Ausübung wirklich kennen, betonten die Mitarbeiter des Unternehmens Gebr. Becker aus Höxter und machten damit auf die Vorteile und beruflichen Chancen aufmerksam, die insbesondere eine duale Ausbildung mit anschließendem Studium mit sich bringen. Was das konkret für die technische Gebäudeausrüstung und die Berufe des Anlagenmechanikers oder den Studiengang Versorgungstechnik heißt und welche Voraussetzungen man hierfür mitbringen sollte, erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hautnah in der Aus- und Weiterbildungswerkstatt. Hier wurden unter anderem Kältemaschinen-Prozesse und die Wärmepumpe als regenerativer Energieträger vorgestellt. Bei der Durchführung von Messungen und dem Ausprobieren von Verbindungstechniken waren mathematisches und technisches Verständnis gefordert.
Dass es nicht nur um theoretisches Wissen, sondern vor allem um das Verständnis für die Zusammenhänge in der Praxis verbunden mit handwerklichen Fähigkeiten geht, bestätigte auch Frank Weber, Geschäftsführer des Ing.-Büro Gerhold in Brakel. Als Kfz-Sachverständiger oder Prüfingenieur kommt man um eine Berufsausbildung oder ein Studium im Kfz-Bereich nicht herum. Vor welch spannenden und nahezu detektivischen Problemen Sachverständige hier gestellt werden können, zeigte sich am Beispiel eines ausgebrannten Fahrzeugs, für dessen Unfallursachenforschung Sachverständige ihr fachliches Können unter Beweis stellen müssen.
Die Vielfältigkeit von Ingenieursberufen sowie die Ausbildungswege und Voraussetzungen aufzuzeigen, waren Inhalt und Ziel des Pilotprojekts „Ingenieur.Pass“. All dies unterstrich Professor Rainer Barnekow vom Fachbereich Life Science Technologies an der TH OWL und Vorsitzender der Bezirksgruppe OWL beim Verein Deutscher Ingenieure noch einmal explizit in der Abschlussveranstaltung. Dabei verwies er auf die Bedeutung der Interdisziplinarität verschiedener Fachrichtungen und die längst nicht mehr wegzudenkenden integrativen Forschungsmethoden zwischen Ingenieurswissenschaften und Bereichen wie den Life Science Technologies. „Engagierte, mutige und emanzipierte junge Menschen wie Sie“ so Professor Barnekow, „braucht es in Wissenschaft und Forschung, um Entwicklungen voranzutreiben und gesellschaftsrelevante Probleme lösen zu können.“
Und das Fazit der Schülerinnen und Schüler? Sie schätzen die Möglichkeit sehr, durch das Projekt „Ingenieur.Pass“ „vertiefte und eindrucksvolle Einblicke in die unterschiedlichen Unternehmen im Kreis Höxter sowie in die verschiedenen Berufswelten bekommen zu haben“. Dass sie darüber hinaus sogar praktisch tätig werden und damit kurzzeitig in die Rolle von Ingenieuren und Technikern schlüpfen durften, nehmen sie als besonderes Privileg mit. Als Erinnerung für ihre Leistungen wurde ihnen zum Abschluss ein Zertifikat von allen beteiligten Akteuren überreicht.
Vor dem Hintergrund des Nachwuchsproblems und des Fachkräftemangels in den MINT-Fächern kann Christopher Knop, Koordinator für Berufliche Orientierung und Lehrer für Mathematik am Städtischen Gymnasium Beverungen das Projekt für interessierte Schülerinnen und Schüler nur empfehlen. Dies soll auch beim zweiten Durchgang des „Ingenieur.Passes“ im Fokus stehen, der im Herbst starten soll. Weitere Informationen dazu können bei Dr. Marlen Ley vom Verein Natur und Technik erfragt werden (
Foto: Verein Natur und Technik