Höxter/Brühl (red). „Das karolingische Westwerk Corvey in Ostwestfalen-Lippe: Wer da noch nicht war, sollte unbedingt hinfahren“: Diesen ultimativen Tipp hat Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen, einem großen Publikum beim Familienfest zum UNESCO-Welterbetag im Park des Schlosses Augustusburg in Brühl gegeben.
Vor genau 40 Jahren ist die prächtige Residenz der Fürstbischöfe von Köln – ein Meisterwerk des Rokoko – zusammen mit dem etwa zwei Kilometer entfernten Jagdschloss Falkenlust in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen worden. Diesen Jahrestag feierte die Ministerin mit. Denn die Schlösser befinden sich als einzige der sechs Welterbestätten in NRW im Eigentum des Landes. Stolz ist Ina Scharrenbach aber auf alle.
Die Wege zu den sechs Weltdenkmälern, auch ins weit entfernte Corvey, waren noch nie so kurz wie beim Fest in Brühl. Denn Regina Junga, Dienststellenleiterin der Welterbestätte Schlösser Augustusburg und Falkenlust, hatte die anderen fünf zum 40-Jährigen nach Brühl eingeladen. So rückten der Aachener Dom, der Kölner Dom, die Zeche Zollverein in Essen, der Niedergermanische Limes, die Gastgeber selbst und das nach wie vor einzige Welterbe in Westfalen – Corvey – im UNESCO-Dorf im Park des Schlosses Augustusburg ganz eng zusammen.
Kurzer Weg ins eigentlich weit entfernte Corvey
Den kurzen Weg zum eigentlich gut dreieinhalb Autostunden entfernten Weserkloster nutzten viele der insgesamt 8000 Festgäste in Brühl. Die Kirchengemeinde Corvey präsentierte das bedeutende Kulturdenkmal gemeinsam mit der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (GfW) im Kreis Höxter. Annika Pröbe, Standortleitung Weltkulturerbe karolingisches Westwerk und Abteikirche Corvey im Diözesanmuseum Paderborn, und Katja Krajewski, Tourismusreferentin bei der GfW, machten den Besuchern an ihrem einladend gestalteten Stand eine Reise zur Benediktinerabtei und ins umgebende Kulturland Kreis Höxter schmackhaft. Beeindruckt zeigten sich die Gäste von der Vielzahl der Klöster um Corvey herum und auch von den Rad- und Wandermöglichkeiten zwischen Egge und Weser.
Das Welterbe selbst wartet zehn Jahre nach der Anerkennung mit hochkarätigen digitalen Angeboten im Westwerk auf. Flyer und großformatige Bildimpressionen auf Roll-ups, aber auch die spannenden Erläuterungen der Mittelalterhistorikerin Annika Pröbe weckten großes Interesse. Auch bei Ministerin Ina Scharrenbach: Sie begann ihren Rundgang durch das UNESCO-Dorf nach der Welterbetags-Eröffnung in Corvey – dem Ort, den zu bereisen sie unmittelbar vorher in ihrer Ansprache so nachdrücklich empfohlen hatte.
„Ich bin sehr gespannt“, sagte die Ministerin erwartungsfroh, als es im Gespräch am Stand um die virtuelle Renaissance des Johanneschores im ersten Obergeschoss des Westwerks und die bevorstehende Premiere der fesselnden Filmprojektion zu Corveys monastischer Geschichte auf der Glastrennwand zwischen Erdgeschosshalle und barocker Abteikirche ging.
Geschichte spannend und vielfältig
Beide Glanzlichter führen das Weltdenkmal am Weserstrand didaktisch ins digitale Zeitalter. Die neu konzipierte Dauerausstellung in den Räumen des Schlosses rundet seit Saisonbeginn 2024 die Veränderungen ab. Gute Gründe also für einen Corvey-Besuch, findet die Landesministerin. Begeistert von dem Juwel ist sie ohnehin: „Mehr als 1200 Jahre Geschichte machen Corvey spannend und vielfältig. Dass der Dichter des Deutschlandliedes, August Heinrich von Fallersleben, dort als Bibliothekar gewirkt hat, kommt hinzu. Insofern verbindet sich ganz viel in Corvey.“
Sie freue sich aber auch, „dass Sie heute hier in Brühl sind“, hob die CDU-Ministerin am Stand der Kirchengemeinde und der GfW hervor. Das bekräftigte auch die Gastgeberin des Tages, Regina Junga. „Wir sind in einem guten Austausch untereinander“, konstatierte sie für die Welterbestätten.
Diese Vernetzung fördern die Deutsche UNESCO-Kommission und der Verein „UNESCO-Welterbestätten Deutschland“. Beide haben den bundesweiten, alljährlichen Welterbetag am ersten Juni-Sonntag ins Leben gerufen und bieten gemeinsame Vermarktungsplattformen an.
Aha-Effekte faszinieren Gäste bei Tablet-Führungen
Dieses gedeihliche Miteinander erfüllten die sechs Weltdenkmäler Nordrhein-Westfalens beim Fest in Brühl mit Leben. Auf der Bühne hatten sie in einer Talkrunde am Nachmittag die Möglichkeit, sich vorzustellen. Annika Pröbe berichtete, dass Corvey nach dem Festjahr zum 1200-jährigen Bestehen nun auf den zehnten Jahrestag der Welterbe-Anerkennung zusteuere. „Wir gehen von einem Jubiläum ins nächste und sind stolz darauf.“
In der Rückschau auf das Erreichte der vergangenen zehn Jahre erläuterte Annika Pröbe mit großer Freude die an den Start gebrachten Innovationen in der didaktischen Erschließung. Ein karolingisches Wandmalerei-Fragment im Johanneschor im Original zu sehen und die ursprüngliche Leuchtkraft dann auf dem Bildschirm des Tablets: Dieser Aha-Effekt fasziniere die Gäste, zieht die Standortleiterin ein begeistertes Fazit. „Außerdem arbeiten wir immer an der Restaurierung und Konservierung der Wandmalerei und Architektur“, nannte sie einen zweiten, wichtigen Schwerpunkt ihrer Arbeit.
Wandergruppe „Himmelblau“ plant Corvey-Besuch
Viele Gäste, die am Stand mit Annika Pröbe und Katja Krajewski ins Gespräch kamen, haben entweder Verwandtschaft im Kreis Höxter, stammen selber aus der Region oder haben das Kulturland von Besuchen in angenehmer Erinnerung. So wie es bei Ulla Haak aus Swisstal zwischen Bonn und Euskirchen der Fall ist. „Ich war mit der Schule in Höxter. Das ist lange her, aber der Eindruck will nicht weichen.“ Später unterrichtete sie ein Jahr lang in Wahmbeck, Bodenfelde, und unternahm in dieser Zeit viele Ausflüge nach Holzminden und Höxter. Den Welterbetag in Brühl besuchte sie mit Ehemann Norbert Haak und Freundinnen der gemeinsamen Wandergruppe „Himmelblau“. Da versteht es sich von selbst, dass sie am Corvey-Stand auch die einladend gestalteten Broschüren zu den vielfältigen Wanderrouten mitnahmen. Um die Region und das Welterbe zu Fuß zu erkunden.
Einige Besucher kannten Höxter und das Kulturland noch gar nicht. Zur Orientierung half eine Karte, die Katja Krajewski auf dem Counter des Standes ausgebreitet hatte. Viele Exemplare dieser Radwege-Karte gingen an dem Tag über den Tresen. Immer wieder ergaben sich nette Gespräche mit vielen Menschen: jüngeren, älteren, Familien, Paaren, Freundesgruppen. Corvey und der Kreis Höxter steht bei vielen auf dem Reiseplan.
Zwischen dem Kreis Höxter und dem Schloss Augustusburg in Brühl bestehen übrigens Verbindungen: Johann Conrad Schlaun (1695 – 1773), bedeutender Architekt des deutschen Barock, kommt aus Nörde bei Warburg. Im Auftrag des Kölner Kurfürsten und Erzbischofs Clemens August (1700 – 1761) begann er 1725 auf den Ruinen einer mittelalterlichen Wasserburg mit der Errichtung der Residenz.
Fotos: Kirchengemeinde Corvey