Corvey (TKu). Via Nova Kunstfest Corvey lädt vom 31. August bis zum 29. September 2019 in die Welterbestätte an der Weser ein. Künstler aus der Literatur, Musik, Schauspiel und der Tanzszene sowie Wissenschaftler schlagen einen Bogen von der ersten deutschen Bibelübersetzung, „Heliand“ genannt, die vor fast 1200 Jahren in Corvey geschrieben wurde, ins Heute. Im Heliand verschmelzen kulturelle Erfahrungen weit auseinander liegender Regionen. Wenn unterschiedliche Wertesysteme sich berühren und durchdringen, kann sich etwas Neues formen, wandern Gedanken und Ideen weiter. Diesen Gedanken greift das Kunstfest in seinem Dialog der Epochen und dem Gespräch der Künste auf, so die künstlerische Leiterin Brigitte Labs-Ehlert, Literaturwissenschaftlerin und Altgermanistin. In sinnlicher Weise sollen die steinernen Mauern lebendig werden und der universelle Wert dieser UNESCO-Welterbestätte vermittelt werden, betont der Hausherr, Viktor Herzog von Ratibor. Das kulturelle Großereignis, welches in diesem Spätsommer unter der Überschrift „long ago – far away“ steht, erstreckt sich gleich über drei Wochenenden vom 31. August bis 29. September 2019 und wartet mit einzigartigen Lesungen, Konzerten, Performances und einer Ausstellung auf. Schon der Auftakt des über die Region weit hinaus bekannten Festes, die Ouvertüre im Spätsommer 2018, war ein großer Erfolg, wie Victor von Ratibor und Herzog zu Corvey berichtet. Etwa 800 Besucherinnen und Besucher haben die Organisatoren an nur einem Wochenende gezählt. Das Kunstfest, das im Jubiläumsjahr 2022 seinen Höhepunkt erreichen soll, wenn sich die Gründung Corveys zum 1200. Mal jährt, soll bis dahin jedes Jahr mit Leben gefüllt werden.
„Corvey hat einen Großteil Europas von Corvey aus über Bremen in den Norden und den Osten Europas geprägt. Dabei fand ein großer Kulturtransfer statt, bei dem alte Rituale der unterworfenen Stämme verändert und adaptiert wurden“, berichtet Dr. Brigitte Labs-Ehlert. Am Eröffnungswochenende spricht Schauspieler Jürgen Holtz Auszüge aus dem Heliand in altsächsisch und auf Hochdeutsch. Anschließend gibt der Bonner Historiker Matthias Becher Einblick in die Zeit der Entstehung des Heliand, mit den Konflikten und Versöhnungen zwischen Karl dem Großen und den Sachsen. Die Künstlerin und Performerin Nezaket Ekici aus Berlin wird für das Kunstfest noch eine eigene Choreographie ausarbeiten. Was sie genau vor hat, kann sie noch nicht sagen. Sie könne sich aber vorstellen, den Kreuzgang als Vorbild für ihre Performance zu nutzen. Schriftstellerin Roberta Dapunt hat für Corvey einen poetischen Text geschrieben, der Motive aus dem Heliand aufgreift. Der Dichter Christian Lehnert trotzt dem zunehmenden Egoismus mit seinen spirituellen Gedichten. Weiterhin tritt Pianist Marc-André Hamelin auf mit einem Programm, das Himmel und Erde versöhnen soll. Am Sonntag, den 1. September 2019, findet eine Lesung im Kaisersaal statt mit dem Schauspieler des Deutschen Theaters Berlin, Alexander Khuon. Er liest Gedichte von Johannes Bobrowski und Heinrich Heine. Das Calmus Ensemble und die Lautten Compagney geben anschließend ein Konzert, in dem unter anderem der Meister Johann Sebastian Bach interpretiert wird. Um Wandern, einwandern, heimisch werden und neue Einsichten dreht sich das Thema am 14. und 15. September 2019. Den Anfang dazu macht Raoul Schrottmit seiner Rede „Die drei Prinzen von Serendip“ im Sommersaal. Die Choreographin Alexandra Waierstall wird eine Tanz-Choreographie im Kreuzgang aufführen. Robert Stadlober gibt anschließend eine musikalische Lesung im Kaisersaal.
Hannelore Hoger spricht am Sonntag, dem 15. September 2019, den großen Monolog der Maria untermalt durch die Musik von Tara Bouman und Markus Stockhausen. Zum Finale am 28. und 29. September 2019 wird der Tübinger Professor für Europäische Religionsgeschichte, Bernhard Maier, über die Götterwelt der Sachsen und die Überschreibungen durch die Christianisierung sprechen. Sibylle Lewitscharoff und Najem Wali lesen aus ihrem gemeinsamen Buch „Abraham trifft Ibrahim“ von den großen Figuren der Religionen vor. Sie ist Christin und er Muslim. Das Buch handelt von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Religionen. Begleitet vom Tonpoeten, Komponisten und dem Pianisten Hauschka liest die bekannte Schauspielerin Corinna Harfouch am Abend die Saga von „den Leuten auf Eyr“. Am 29. September entführt Jens Harzer seine Besucher in die Gedankenwelt des Barock mit dem Mysterienspiel des spanischen Schriftstellers Pedro Calderón de la Barca. Ergänzt wird das Kunstfest durch ein Education-Programm, das eine Ausstellung und ein Schulprojekt umfaßt. Eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Heliand unternehmen Studierende der Medienproduktion von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe unter der Projektleitung von Laura Haasler. Dabei werden sie einige Passagen aus dem Heliand in heutige Bilder übersetzen. Das detaillierte Programm des Kunstfestes kann im Internet angesehen oder bestellt werden unter der Adresse www.schloss-corvey.de.
Foto: Thomas Kube