Höxter (TKu). Das alte Sägewerk der Corveyer Holzverwertung wird bald Geschichte sein. Noch stehen die Betriebshallen des alten Sägewerkes, die zum Teil schon sehr baufällig sind. In unserer Serie „Lost Places“ wollen wir auch diesen Ort einmal etwas näher unter die Lupe nehmen, wie er entstand und was damit passieren soll. Die Geschichte geht bis ins 19. Jahrhundert zurück: Ab 1870 und in den späteren Jahren entstanden in der Region um Höxter vielerorts größere, besonders Buchennutzholz verarbeitende Sägewerke und Fabriken. So zum Beispiel in Holzminden, Lauenförde und Beverungen sowie 1901 auch eine Fassdaubenfabrik bei Corvey, die aber 1911 abbrannte. Fast jeder große Waldbesitzer verfügte damals über ein eigenes Sägewerk.
In den Corveyer Forsten legte man auf Veranlassung des Herzoglichen Oberforstbeamten Elias aus Rachnowitz in den Jahren 1866-1867 ein Sägewerk im Saumertal von Marienmünster an. Es enthielt zwei Sägegatter mit je einer Säge, eine Kreissäge und eine Brennholzsäge. Die Anlage war jedoch ungünstig gelegen, weil die vorhandene Wasserkraft des Saumerbaches nur in den Wintermonaten ausreichte, da der Bach im Sommer wasserarm war. 1869 wollte man durch Quellenbohrungen mehr Wasser bekommen. Dieser Plan scheiterte jedoch. Da inzwischen an diesem Sägewerk größere Reparaturen erforderlich waren, die nicht im Verhältnis zu den Einnahmen standen, erfolgte der Abbruch und der Verkauf desselben 1899. 1920 wurde dann von der Firma Vohwinkel und Richtberg aus Charlottenburg ein Sägewerk bei Corvey errichtet, auf dem vorzugsweise Buchennutzholz zu Bohlen und Eisenbahnschwellen zugeschnitten wurden.
Dabei handelt es sich um die spätere Corveyer Holzverwertung. Nach dem Zweiten Weltkrieg fielen die schlesischen Besitzungen der Herzoglichen Familie Von Ratibor an den polnischen Staat. Die Familie floh nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches nach Westfalen, wo sie in Corvey dauerhaften Wohnsitz nahm und auch die zentrale Verwaltung der verbliebenen herzoglichen Besitzungen installierte. Nach dem Tod seines Vaters, Herzog Viktor III., übernahm der erst 25-jährige Sohn Franz Albrecht im Jahre 1945 die Geschicke des Familienunternehmens.
„In den unruhigen Nachkriegsjahren baute Herzog Franz Albrecht nicht nur einen modernen, in die Zukunft gerichteten Wirtschaftsbetrieb auf, sondern er schuf auch ein kulturelles Zentrum in Westfalen, das bis heute weit über seine Grenzen hinaus strahlt“, heißt es auf der Internetseite des Herzoglichen Hauses. Dazu zählte auch die Corveyer Holzverwertung auf der anderen Seite der Bahnlinie in Corvey. Die Geschäfte liefen in den Jahren des Wirtschaftsbooms auf Hochtouren. Im Sägewerk wurden hauptsächlich Buchen- und Fichtenholz mit einer Gattersäge zugeschnitten. Daraus wurde zum einen sogenannte „Gestellware“ gemacht für die Möbelindustrie und zum anderen produzierte das Sägewerk in zweiter Instanz Buchenschwellen für die Eisenbahnschienen. Nach dem zweiten Weltkrieg nahm die Anzahl der Sägewerke in Deutschland aus unterschiedlichen Gründen zunehmend ab.
„Von einst 10.000 Sägewerken schrumpfte die Anzahl auf unter 1000 Sägewerke in den folgenden Jahrzehnten. Das hatte unter anderem die Gründe, dass für die Buchenschwellen inzwischen spezielle Eisenbahnschwellen eingesetzt wurden und auch die Gestellware wesentlich günstiger aus Osteuropa geliefert werden konnte“, berichtet Michael Funk vom Herzoglichen Haus Corvey.
Die Geschäfte liefen bereits Anfang der 1970er Jahre immer schwieriger. 1973 ereigneten sich zudem noch zwei mittelgroße Brände im Unternehmen. Der Auslöser dafür war beide Male die kaminbetriebene Trocknungsanlage der Corveyer Holzverwertung. In einer Zeitungsausgabe vom 10. September 1973 heißt es: „Ein Sachschaden von mehreren hunderttausend Mark waren durch den Brand am Samstagabend in der Corveyer Holzverwertung entstanden. Das Feuer, das neben der Trocknungsanlage im Bereich der Kaminanlage des Kesselhauses ausgebrochen war, breitete sich innerhalb von Minuten auf weitere Gebäudeteile aus. Dem schnellen Eingreifen der Feuerwehr ist es zu verdanken, das es zu keinem Großbrand kam. Ein besonderer Gefahrenpunkt war ein unmittelbar neben dem Gebäude stehender 40.000 Liter fassender Öltank, der bis zur Hälfte gefüllt war und an dem bereits die Flammen leckten“.
Anfang der 80er Jahre wurde der Eigenbetrieb eingestellt. „Zuletzt wurden im Sägewerk Kanteln für die Möbelindustrie gefertigt. Das sind Holzstäbe hoher Qualität, die zur Herstellung von maßhaltigen Bauelementen dienen, wie zum Beispiel Tischbeine oder Türfriesen“, berichtet Wolfgang Woldan, der seit mehr als 40 Jahren in der Buchhaltung des herzoglichen Hauses Corvey beschäftigt war. Auch für die Firma Zenker in Lüchtringen habe man Fichtenholz zurechtgeschnitten, das als Bauholz für Fertighäuser genutzt worden ist. Das Sägewerk hat Anfang der 80er Jahre die Firma „Lüders“ mit Sitz in Hamburg übernommen, die bis zum Ende des Jahrzehnts Paletten dort hergestellt hat. Die Firma habe mit dem Herzog Franz-Albrecht eng zusammen gearbeitet, erklärt Woldan. Anschließend war das Gelände immer mal wieder verpachtet worden, darunter auch an den Holzhändler Heinrich Kleine. Zuletzt wurden hier bis ins Frühjahr 2018 hinein wieder Paletten zusammengeschraubt und gelagert. Nun ruht der Betrieb vollständig. Die alten Holzhallen, der ehemalige Spänebunker und die baufälligen Betriebshallen sollen in den nächsten Jahren abgerissen werden. Die Stadt Höxter hat das Gelände im Zuge der Landesgartenschau erworben. Spätestens ab Frühjahr 2023 sollen im schönen Weserbogen Flora und Fauna im Rahmen der geplanten Landesgartenschau im Fokus stehen, während das alte Sägewerk nur noch Geschichte sein wird.
Fotos/Repros: Thomas Kube