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Samstag, 30. November 2024 Mediadaten
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Höxter/Fürstenau (TKu). Fürstenau vor 80 Jahren: Die jüdischen Mitbürger:innen waren in Fürstenau beliebt und geachtet. Sie waren in das Dorfleben voll integriert. Die meisten Fürstenauer:innen waren ihnen auch während der Nazi-Zeit wohlgesonnen. Doch das konnte ihre Deportation nicht verhindern. Als die Handlanger der Nazis kamen, haben sie 23 jüdische Mitmenschen, geachtete und beliebte Fürstenauer:innen aus dem Dorf geholt und sie ins Konzentrationslager gebracht. Fürstenau hat jetzt ein großes Zeichen gesetzt, um den verschleppten Jüdinnen und Juden ein Denkmal zu setzen. Das Mahnmal mit eindrucksvollem Relief wurde nun vor mehr als 150 Zuschauerinnen und Zuschauern feierlich enthüllt durch die Initiatoren Michael Stoltz und Ferdinand Welling sowie Bürgermeister Daniel Hartmann und Kreisdirektor Klaus Schumacher. Die Zeremonie wurde musikalisch untermalt vom Weserberglandorchester aus Bödexen mit dem Lied „Shalom von Naulais“ und vom Gospelchor Fürstenau mit dem Lied „Ohseh shalom“ (Shalom bedeutet Friede). Für jeden der 23 deportierten Menschen haben Schülerinnen und Schüler eine weiße Rose am Mahnmal abgelegt. Auf dem Mahnmal steht das Geschehene unter der Überschrift: „Das Mahnmal ruft!“. Auf zwei Tafeln aus Bronze, die an einer Wesersandstein-Stele angebracht sind, stehen die 23 Namen, von denen nur Carla Pins und Helmut Löwenstein den Holocaust überlebt haben. Die Menschen wurden 1941 und 1942 genau von dem Ort aus deportiert, wo sich heute das eingeweihte Mahnmal befindet an der Hohehäuser Straße Ecke Detmolder Straße vor der Kirche. Harry Löwenstein (90), der als Helmut Löwenstein in Fürstenau geboren wurde und als Holocaust-Überlebender im Jahr 2018 seinen Heimatort besucht hatte, gab den Anstoß zu diesem Denkmal und hat dazu noch einen bedeutenden Geldbetrag gespendet. „Danke für alles, was er uns mit seinem Besuch geschenkt hat“, erklärte Dr. Michael Stoltz. Harry Löwenstein lebt heute in Florida (USA). Daher konnte er nicht persönlich zu diesem Termin erscheinen. Grüße ließ er den Menschen in Fürstenau via Brief ausrichten.

Zeitzeugen berichten von damals: An der Zeremonie teilgenommen haben auch die 96-jährige Wilma Schröder (älteste Bewohnerin Fürstenaus), Johannes Neumann (90) sowie Else Galler (93). Es sind die wenigen noch lebenden Zeitzeugen, die viele der jüdischen Mitmenschen noch persönlich gekannt haben. Initiator Dr. Michael Stolz berichtet in ihrem Namen in seiner Ansprache über die damalige Zeit: „Die Juden waren in Fürstenau beliebt und geachtet. Sie waren in das Dorfleben voll integriert. Die meisten Fürstenauer waren auch während der Nazi-Zeit den jüdischen Mitbürger:innen wohlgesonnen. Markus Judenberg hat zum Beispiel viel Gutes getan. Oft ließ er die Schulden nach. Manchmal stattete er auch bedürftige Kommunionkinder mit dem Notwendigsten wie Bekleidung zur Erstkommunion aus“, so Dr. Stolz. Harry Löwenstein spielte damals Fußball mit Johannes Neumann. Wilma Schröder erinnert sich noch daran, als die Menschen aus Fürstenau abgeholt wurden: „Ein LKW kommt, vielleicht auch Pferdefuhrwerke. Bewaffnete Fremde stehen Wache. Man versteckt sich hinter den Fensterscheiben, vor Aufregung beschlagen die Scheiben durch die feuchten und schnellen Atemzüge. So beobachten wir, wie 1941 fast alle jüdischen Bewohner abgeholt wurden. Nur vier Personen können noch bleiben - vorerst. 1942 wurden dann auch die Bachmanns abgeholt. Wir Kinder waren zu Hause und hörten gegenüber dieses Geschrei und einen ungewöhnlichen Lärm. Ich schob die Gardine etwas zur Seite, um nachzusehen, was da los ist und blickte plötzlich in einen Gewehrlauf. Ich zog mich erschrocken zurück und wagte nicht mehr, aus dem Fenster zu sehen.“ Über Bielefeld ging der Sammeltransport gen Osten in das Konzentrationslager nach Riga. Sehr emotional verlas Dr. Michael Stoltz die Erinnerungen von damals.

Die geistlichen Vertreter, Pastor Thomas Nal vom Pastoralverbund Corvey sowie Pfarrer Tim Wendorff von der evangelischen Weser-Nethe-Gemeinde in Höxter, waren erfreut darüber, dass sich Fürstenau so würdig seiner Geschichte erinnert. Kreisdirektor Klaus Schumacher lobte in seiner Rede das Engagement von Dr. Michael Stolz und Ferdinand Welling. Beide Initiatoren haben sich laut Schumacher mit Unterstützung der Jakob-Pins-Gesellschaft sehr engagiert für die Realisierung des Mahnmals eingesetzt. Antisemitismus habe keinen Platz in unserer Gesellschaft, betonte Schumacher. Bürgermeister Daniel Hartmann sagte, man müsse Lehren aus der Geschichte ziehen: „Tendenzen, andere Menschen auszugrenzen, müsse man entschieden entgegen treten“, so Hartmann. Allen Beteiligten, die sich für dieses Mahnmal eingesetzt haben, sprach Hartmann seinen Dank aus. ### Die aus Fürstenau stammende und nun in Brauschweig wohnende Künstlerin Sabine Hoppe hat das Mahnmal gestaltet. Für ihr Engagement, insbesondere für die Erschaffung des „eindrucksvollen“ Reliefs, dankte ihr Dr. Michael Stoltz in besonderem Maße. Auch Bürgermeister Daniel Hartmann lobte die künstlerische Umsetzung. Sabine Hoppe sei es eindrucksvoll gelungen, die Deportation der jüdischen Mitbürger:innen darzustellen. Die Verzweiflung der Menschen lasse sich in ihren Gesichtern auf dem Relief ablesen, so Bürgermeister Hartmann. Alle Menschen sind mit ihren Gesichtern auf dem Relief abgebildet, die teilweise von Fotos nachempfunden wurden. Links auf dem Bild befindet sich die Fürstenauer Synagoge, rechts das Tor in das Ghetto und somit der Weg mit Sack, Wagen und Gepäck in den Tod. Sabine Hoppe hat das Relief noch einmal in kleiner Version in Bronze gießen lassen für Harry Löwenstein und seine Familie. Das kleine Modell des großen Mahnmal-Reliefs soll in Kürze auf die Reise in die USA zur Familie Löwenstein gehen als Anerkennung für Harry Löwenstein.

Fotos: Thomas Kube

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